Eine Frage des Gewissens

Saarbrücken · Die drei Priester Jakob, Dominik und Oliver sind Freunde – bis einer der Drei unter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen verhaftet wird. Jakob will nachforschen, Oliver will vertuschen. „Verfehlung“ ist das Kinodebüt von Regisseur und Autor Gerd Schneider, der selbst einmal Priesteramtskandidat war.

 Jakob (Sebastian Blomberg, links) ist außer sich – denn Oliver (Jan Messutat) will den Missbrauch vertuschen. Foto: SWR / Pascal Schmit

Jakob (Sebastian Blomberg, links) ist außer sich – denn Oliver (Jan Messutat) will den Missbrauch vertuschen. Foto: SWR / Pascal Schmit

Foto: SWR / Pascal Schmit

"Jetzt sind wir am Drücker!", sagen sich die drei Freunde beim Bier nach dem Fußball. Jakob, Dominik und Oliver sind Priester, im Aufstieg begriffen und voller Hoffnung - sie wollen im verkrusteten System der Kirche etwas verändern. Doch die Aufbruchstimmung endet, als Dominik festgenommen wird: Er wird verdächtigt, einen Jungen sexuell missbraucht zu haben. Die beiden entsetzten Freunde reagieren grundverschieden: Jakob (Sebastian Blomberg) forscht nach, während Oliver (Jan Messutat) sich wenig für Schuld oder Unschuld interessiert. Er will vor allem Schaden von der Kirche abwenden. Als Jakob die Schuldfrage schließlich klärt, stellt sich für ihn die große Frage: Soll er dem Gewissen folgen und einem mächtigen System entgegentreten? Oder das tun, was ihm ein Bischof rät: nämlich Barmherzigkeit üben, auch beim Täter?

"Verfehlung", der im Wettbewerb des Ophüls-Festivals 2015 lief, ist ein packendes Spielfilmdebüt, das nicht pauschal die Kirche attackiert. Regisseur und Drehbuchautor Gerd Schneider hat katholische Theologe studiert und war Priesteramtskandidat, bis ihm klar wurde, dass "heute Pfarrer nicht nur einer, sondern gleich mehrerer Gemeinden zu sein, modernes Management bedeutet - und weniger Seelsorge, so wie ich sie mir vorstellte". Den Drehbuchsatz "Die Kirche ist eine Mutter, und die Mutter schlägt man nicht" hat Schneider dem realen Leben entlehnt. "Ein Originalzitat meines damaligen Bischofs", sagt er, ein "typisches Totschlagargument, dem man wenig entgegen zu setzen hatte". Dass die Kirche Verfehlungen systematisch vertuscht, glaubt Schneider nicht; aber es gebe eben "die Hilflosigkeit von Menschen, die aus Angst vor einem Imageverlust Grenzen überschreiten, die nicht überschritten werden dürfen". Zudem verführe der Korpsgeist in solch einem geschlossenen System wie der Kirche "zu elitärem und überheblichem Denken. Aber das ist kein rein katholisches Problem."

Die anfängliche Hoffnung der Hauptfiguren, im System der Kirche etwas verändern zu können, teilt Schneider. "Wir erleben ja mit Papst Franziskus einen Paradigmenwechsel, und viele Bischöfe folgen ihm mit großer Energie, weil sie wissen, was die Stunde geschlagen hat. Manche aber auch nicht, und genau da knirscht es im Gebälk." Viele Diskussionen über die Kirche hält er auch für zu pauschal. Es gebe nicht einfach nur Schwarz und Weiß, "sondern vor allem viel Grau. Da gleich nach dem Henker zu rufen, hilft nicht viel."

Die drei zentralen Figuren in "Verfehlung" - der Täter, der Vertuscher, der Mann mit Gewissen - sind zwar recht thesenhaft angelegt, besitzen aber dennoch Fleisch und Blut, dank der Darsteller: vor allem Sebastian Blomberg als Jakob. Er gibt eine fiebrige Darstellung als Mann, in dem es lange brodelt - bis er sich entscheidet.

Heute, 20.15 Uhr, Arte .

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort