Wo bleibt der Biss?

Meinung · Unsere Altvorderen wissen es noch. Sie haben nach dem Krieg am eigenen Leib gespürt, was Hunger ist. Die heutige Generation in den Wohlstandsländern hat nur eine geringe Ahnung davon, was es heißt, nicht genügend zu essen zu haben und das bohrende Hungergefühl im Magen als existenzielle Bedrohung zu erleben

Unsere Altvorderen wissen es noch. Sie haben nach dem Krieg am eigenen Leib gespürt, was Hunger ist. Die heutige Generation in den Wohlstandsländern hat nur eine geringe Ahnung davon, was es heißt, nicht genügend zu essen zu haben und das bohrende Hungergefühl im Magen als existenzielle Bedrohung zu erleben. Seit gestern versucht der "Welternährungsgipfel" in Rom, Antworten zu finden auf Fragen, die fast so alt sind wie die Stadt am Tiber. Und während weltweit die Preise für Energie und Getreide in die Höhe schießen, wissen etwa 1000 Millionen Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern nicht, wo sie eine Handvoll Reis oder sonst etwas Essbares herbekommen sollen.Es ist nicht besonders intelligent, diesen Fakten als moralischen Kontrast die real existierende Welt des Kapitalismus und des Luxus gegenüberzustellen. Arm und Reich gehören zusammen wie Schatten und Licht, ja sie bedingen sich von der Logik her sogar. Das ändert natürlich nichts an der Verpflichtung der Wohlstandsländer (die sich ausländische Ressourcen immer gern zu Nutze machen), das Problem ernsthaft und energisch anzugehen. Doch stattdessen beklagen sie mit hehren Worten das furchtbare Darben ganzer Völker und versuchen, ihr schlechtes Gewissen mit gut gemeinten Almosen zu beruhigen.

Es gibt zahlreiche Organisationen, deren vordringliche Aufgabe es ist, die Ernährungsprobleme der Welt zu lindern. Fatal und skandalös, dass sie bisher jämmerlich versagt haben. Allen voran die Uno mit ihrem blassen Generalsekretär (derzeit: Ban Ki Moon) an der Spitze, und die Welternährungsorganisation FAO mit ihrem noch schwächeren Chef Jacques Diouf. Hinzu kommt die oft fragwürdige Politik von Weltbank, Internationalem Währungsfonds und Welthandelsorganisation, die von den Interessen der Industrieländer geprägt ist.

Das Empörungspotenzial der Völkergemeinschaft ist riesengroß, wenn es Opfer von Terrorismus zu beklagen gibt. Beim Kampf gegen den täglichen Hunger-Terror in weiten Teilen der Welt lassen die Staats- und Regierungschefs auf ihren üppigen Gipfeltreffen dagegen den rechten Biss vermissen. Dabei bräuchten sie "nur" das System zu ändern. Das System der Zölle und Exporte, Subventionen und Protektionen, mit denen sie die Märkte steuern und ihre eigene Wirtschaft gegen unliebsame Billig-Konkurrenz abschotten. Wenn die Ernährungspolitik den gleichen Stellenwert hätte wie die Sicherheitspolitik, wäre das Hungerproblem in der Welt bald gelöst. Weil dem mitnichten so ist, steht zu befürchten, dass wir in 20 Jahren noch die gleichen Diskussionen führen wie heute.

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