Preisverleihung des Ophüls-Festivals „Das Kino neu erfinden – dafür trete ich ein“
Saarbrücken · Die bemerkenswerte Preisverleihung des Filmfestivals Max Ophüls Preis belohnte Filme, die sich etwas trauen und etwas zu erzählen haben. Den Hauptpreis gewann „Das melancholische Mädchen“.
„Wenn es irgendeinen Auftrag der Kunst gibt, dann vielleicht den, das Kino neu zu erfinden. Dafür trete ich ein.“ Das sagte Susanne Heinrich auf der Bühne des E-Werks am Samstagabend, bei der Preisverleihung des 40. Filmfestivals Max Ophüls Preis. Dort hatte die Regisseurin nach dem Preis der ökumenischen Jury auch den Hauptpreis des Festivals entgegengenommen: für „Das melancholische Mädchen“, einen Spielfilm (Heinrichs ersten Langfilm), der in einem starken Wettbewerb formal herausfiel. Hochkomisch und tieftraurig zugleich erzählt der Film, in einem stilisierten Interieur und mit bewusst entrücktem Schauspielstil, von einer jungen Frau, die einen Platz in der Gesellschaft sucht (wir haben berichtet). Als evangelische Pfarrerstochter habe sie viel Prediger-Gene in sich und predige nun „feministische Kapitalismuskritik“, sagte Heinrich. „95 Prozent von uns sind wohl weiße, privilegierte Menschen, die Dinge reprozieren, die immer schon so waren.“ Auch dagegen wendet sich Heinrichs origineller Film, dem man internationalen Festival-Erfolg wünscht und auch zutraut.
Überhaupt war die Preisverleihung ein großer Abend für Filme, die sich etwas trauen, etwas zu erzählen haben und an ihre Vermarktbarkeit zuletzt denken. „Cronofobia“, Franceso Rizzis stille, zurückhaltende, rätselhaft erzählte Geschichte um zwei angeschlagene Seelen erhielt zwei Preise (Drehbuch und Regie), ebenso wie „Nevrland“ von Gregor Schmidinger. Der Film über einen jungen Mann mit Angststörungen, in bisweilen albtraumhaften Bilder erzählt, fand das Votum der deutsch-französischen Jugendjury (die traditionell ein gutes Händchen hat); zudem erhielt der debütierende Darsteller Simon Frühwirth einen der beiden Preise für die beste Darstellung. Zweifach prämiert wurde auch „Joy“ von Sudabeh Mortezai. Der Spielfilm, der mit quasidokumentarischer Schärfe vom Leben einer jungen Frau aus Nigeria in Wien erzählt, erhielt den „Preis für den gesellschaftlich relevanten Film“ und einen Darstellerpreis für Joy Alphonsus.
Gesellschaftliche Diversität, die im Kino nur unzureichend abgebildet wird: Das war ein Thema im Rahmenprogramm des Festivals – und auch bei der Preisverleihung selbst. Schauspieler Jerry Hoffmann, Mitglied in der Jury für Kurzfilm und Mittellangen Film, sagte auf der Bühne, dass ihn während der Festivaltage doch langsam „Trauer, Wut und Aggression“ gepackt hätten, angesichts so vieler undivers erzählter Filme mit undiversem Personal vor und hinter der Kamera. Wenn sich das nicht ändere, „dann haben wir ein Problem in diesem Land“. Seine Kritik, die die Festivalleiterin Svenja Böttger auch noch einmal unterstrich, bedeute aber nicht, „dass Ihr mich jetzt alle engagieren müsst“.
Der österreichische Regisseur/Produzent Arash T. Riahi (Ophüls-Dokumentarfilmpreis 2007 für „Exile Family Movie“) plädierte ebenso für Diversität und ermunterte gerade die jungen Dokumentarfilmer. In „fake news“-Zeiten liege es an „den unabhängigen Filmemacherinnen und Filmemachern, dass sie die Wahrheit hervorkehren und den Menschen zeigen. Es gibt ja viele Realitäten – aber es gibt trotzdem unumstößliche Fakten. Je ehrlicher man mit denen umgeht, desto besser.“
Was fiel sonst auf an diesem von Tobias Krell moderierten Abend, der bei manchen Jurygesprächen auf der Bühne etwas zu lang geriet? Das E-Werk war diesmal anders hergerichtet – statt wie zuvor in der Längsachse der Halle mit erhöhter Bühne nun quer mit einer niedrigeren Bühne, vor der die Nachwuchsfilmer ihren Platz fanden. Alles rückte ein bisschen näher zusammen – eine sehr gelungene Umgestaltung.
Eine sehr charmante Idee des Festivals war es, für einen Einspieler sehr junge Ophüls-Gängerinnen und –gänger (es gab ja eine Kinderfilmreihe) zu befragen, was denn für sie die Magie des Kinos ausmache. Das erinnerte an die selige TV-Sendung „Dingsda“ und brachte neben dem Naheliegenden („es ist lauter, und die Leinwand ist größer als ein Bildschirm“) auch neue Erkenntnisse: Kino ist gesünder als PC, Handy und Tablet, „denn es strahlt weniger Blaulicht“ aus – gut zu wissen.
Til Schweiger, der die Darstellerpreise übergab, berichtete von seinem Ophüls-Preis 1993 als Nachwuchsdarsteller: „Damals war der Preis ja noch potthässlich, ein schwarzer Sockel mit einem Neonherz.“ Den nächsten Tag überlebte der Preis nicht, er war laut Schweiger zu „breakable“. Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD) betonte, wie sehr das Festival der Stadt und dem Land nutze, „denn in dieser Woche schaut der ganze deutschsprachige Raum auf uns“. Und Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) wünschte sich für die Zukunft, dass das Festival auch in den nächsten 40 Jahren die Talentschmiede bleibe, die es ist. Geschmiedet wird bei Ophüls wieder ab dem 20. Januar 2020.