Kunstführer Saarland als App Ach, diese kunsthistorische Übersichtlichkeit!

Saarlouis · Ein neuer Kunstführer des Saarlouiser Instituts für aktuelle Kunst bietet Handynutzern per App einen Überblick über regionale Kunstschätze.

 666 Werke listete gestern der neue Kunstführer Saarland des Saarlouiser Instituts für aktuelle Kunst auf. Er wird täglich ergänzt werden: Die neue Internetseite des Instituts gibt einen Überblick.

666 Werke listete gestern der neue Kunstführer Saarland des Saarlouiser Instituts für aktuelle Kunst auf. Er wird täglich ergänzt werden: Die neue Internetseite des Instituts gibt einen Überblick.

Foto: Institut für aktuelle Kunst, Saarlouis/SZ

Eigentlich müssten sie alle dem Institut zu Füßen liegen: das Land, die Kommunen, die saarländische Tourismuszentrale. Wenn denn Kunst und Kultur wirklich etwas gelten würden im Saarland. So aber wird der neue Kunstführer des Saarlouiser Instituts für aktuelle Kunst, den man sich ab sofort kostenlos als App aufs Handy laden kann, um damit GPS-basiert fast 700 regionale Kunstwerke im öffentlichen Raum bequem abrufen zu können, wahrscheinlich wieder ein klassisches Minderheitenprogramm bleiben. Wie man hört, ist bislang jedenfalls nicht geplant, dieses kunsthistorische Juwel offensiv zu bewerben. Um etwa ein Zeichen zu setzen in Sachen Kulturtourismus.

Eine Geschichte, die Institutsleiter Jo Enzweiler erzählt, ist da symp­tomatisch. Als Enzweiler, nach eigenen Worten eigentlich „Computerignorant“, doch die technischen Zeichen der Zeit erkennend, unlängst im Landkreistag anregte, ob die 52 Saar-Kommunen sich nicht vielleicht jede mit 500 Euro an der Finanzierung der App beteiligen könnten, winkte Kreistag-Geschäftsführer Martin Luckas ab. Obschon selbst angetan von der Kunst-App, gab Luckas Enzweiler demnach zu verstehen, dass sich wohl kaum alle Kommunen für eine solche milde Gabe gewinnen ließen.

Die von der Saarbrücker Firma pioneo entwickelte App basiert auf in jahrelanger Kleinarbeit von Enzweilers Institut zusammengetragenen kunsthistorischen Materialien zu Aberhunderten regionaler Kunstwerke. Unter dem Titel „Kunst im öffentlichen Raum“ erschien diese Sisyphosarbeit schon vor Jahren in Form eines vierbändigen Nachschlagewerks. Wobei sich dieses auf nach 1945 entstandene Objekte beschränkte und gleichwohl gut 1600 auflistete. Die Saarlouiser Webagentur „Kopfmunter“ hat den kompletten Datensatz nun in heroischer Kleinarbeit in einer Datenbank vereinheitlicht, wobei laut Kopfmunter-Kopf Andreas Becker „viel Handarbeit im Spiel“ gewesen sei, und das Ganze technisch aufgerüstet. So dass Kunstinteressierte sich nun auf der Webseite des Instituts bequem durch die Bestände durchhangeln und gezielt nach Epochen, Gattungen, Werken und vor allem nach Orten auswählen können.

Die App wiederum macht sich diese Datenbank zunutze und portioniert das gewaltige Konvolut mundgerecht für den Handynutzer. Sie zeigt jedes erfasste Kunstwerk in seinem Umkreis an und füttert ihn mit überschaubaren Informationen über ein Werk sowie dessen Entstehung, Kontext, Einordnung. In einem ersten Schritt sind landesweit 666 Objekte abrufbar – darunter Kirchen, Skulpturen, Brunnen, Denkmäler. Vieles, woran man bisher acht- oder kenntnislos vorbeigegangen oder -gefahren ist, lässt sich plötzlich mit Inhalt füllen. Ploppt auf, sodass man seiner gewahr wird. „Da ist jetzt eine wunderbare Übersichtlichkeit“, sagt Enzweilers rechte Hand, Claudia Maas. Wenn sie abends nachhause fahre, erzählt Maas, schalte sie die (audiofähige) App an und höre sich an, was es wo alles gibt. Das weiß sie natürlich auch so. Eine Wohltat ist’s trotzdem, die Probe aufs Exempel zu machen und quasi im Vorbeifahren die Ernte eigener Arbeit einzufahren.

Langfristig sollen schätzungsweise 4000 Werke Aufnahme finden, von Altären über Dorfkirchen, alte Rat- und Schulhäuser bis hin zu Wandmalereien. Laut Pioneo-Geschäftsführer Ralph Dornis sind die technischen Möglichkeiten der Kunstführer-App längst nicht ausgereizt. Doch die dem Institut zur Verfügung stehenden Gelder waren es. Zumindest vorerst. Für das Bundesland traurig genug. Dornis hofft, die derzeit nur für iPhones nutzbare App bald auch für Android-Geräte zu adaptieren und den Kunst- zum Routenführer auszubauen. Dann ließen sich per Navi-Funktion für Wanderer oder kulturhistorisch angefixte Auto-Cruiser individualisierte Parcours zusammenstellen. „Wobei die App auch berücksichtigen könnte, welche Infos man schon kennt“, schiebt Dornis nach.

Bereits jetzt aber wird das enorme Potenzial der Unternehmung deutlich, wie ein Blick auf die Internetseite des Instituts (www.in­stitut-aktuelle-kunst.de) unschwer zeigt. Alles ist kunstwissenschaftlich mustergültig aufbereitet. Und wird nun täglich ergänzt. Wünschenswert wäre, dass das Land den neuen Kunstführer offensiv bewirbt – nicht zuletzt über seine Tourismuszentrale. Aber auch in Schulen. Für das Ruhrgebiet hat die RAG einen digitalen Kunstführer mitfinanziert. Könnte die RAG dies nicht mit derselben Berechtigung auch hier tun? Die Landesregierung sollte dort vielleicht mal vorstellig werden.

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