Freudenschreie aus dem Museum „Das Publikum darf in Farbe baden“

Saarbrücken · Welche Ausstellungen sind nach Wiedereröffnung des Saarlandmuseums geplant? Erste Einblicke in das Programm.

 Camille Pissarro: Schneelandschaft in Louveciennes, 1872

Camille Pissarro: Schneelandschaft in Louveciennes, 1872

Foto: Foto: © Museum Folkwang Essen - ARTOTHEK

Nein, es ist keine Sinnestäuschung. Statt Baggerlärm hört man jetzt immer öfter Freudenschreie im Umfeld der Saarbrücker Modernen Galerie. Und zwar dann, wenn die stellvertretende Museumschefin Kathrin Elvers-Svamberk Zusagen für hochrangige Lieblingsstücke erhält, von Top-Adressen für den Impressionismus, der Stuttgarter Staatsgalerie oder dem Museum des Beaux Arts in Nancy. Es sind dies Leihgaben für die von ihr kuratierte Schau „Slevogt und Frankreich“ (1. 9. 2018 bis 13.1. 2019). Hinter diesem unspektakulären Titel versteckt sich die zugkräftigste Ausstellung, die das Saarlandmuseum nach seiner Wiedereröffnung plant.

Am 18. November diesen Jahres geht die um den Vierten Pavillon erweiterte Moderne Galerie nach einer rund vierjährigen Schließung an den (Neu)Start. Doch das populärste Ausstellungsereignis reicht Museumschef Roland Mönig erst Monate später nach, eben: Slevogt und Frankreich, platziert im 150. Geburtstagsjahr eines der bedeutendsten deutschen Impressionisten, des in Neukastel (Pfalz) beheimateten Max Slevogt (1868-1932). Dessen Temperament, Genussfreude und Lebenslust prägen in ganz besonderer Weise Malstil und Motivwahl. Die Besucher erwarten Weinberge, Tanzfeste, schmetternde Opernsänger. „Das Publikum darf in Farbe baden“, verspricht der Saarbrücker Museumschef. Und mehr noch: Die Ausstellung wird Slevogts Werke mit denen seiner französischen Vorbilder koppeln, mit Werken von Manet, Monet, Renoir — es ist die Museums-Haute Volée unter den Publikumslieblingen weltweit. Von einem „Projekt besonderer Qualität und Hochrangigkeit“, spricht Mönig und ergänzt mit dem ihm eigenen Understatement: „Wir erhoffen uns einen breiteren Zuspruch.“ Eine Zielgröße für das Publikumsinteresse nennt er jedoch nicht.

Freilich wäre jede Zahl, die unter 30 000 Besuchern liegt, ein Debakel. Denn es gibt Vergleichsgrößen ähnlich programmierter Ausstellungen: 2001 kamen zu „Die Entdeckung des Lichts“ in der Modernen Galerie rund 45 000 Besucher, zur „Die Brücke und die Südsee“ vier Jahre später 35 000, und die Picasso-Schau wollten im Jahr 2008 sogar 70 000 Menschen sehen. Vor diesem Hintergrund sagt die Leiterin der Tourismuszentrale Saar, Birgit Grauvogel, auch für Ende 2019 markant wachsende Übernachtungszahlen für Saarbrücken voraus. „Mit Kulturereignissen dieser Art schaffen wir nachweisbar zusätzliche Übernachtungsanlässe.“ Selbst dann, wenn zur gleichen Zeit eine weitere Slevogt-Sause, die erste große Retrospektive nach über 20 Jahren, im Landesmuseum Hannover spielt? Neben Saarbrücken und Mainz gibt es dort die reichsten Slevogt-Bestände.

Das Saarlandmuseum besitzt tausende Slevogt-Arbeiten und 6500 Dokumente, darunter 240 Briefe, teilweise mit Handzeichnungen, die erstmals gezeigt werden sollen. Nicht nur deshalb hält Mönig die Saarbrücker Unternehmung für höchst lohnend und wissenschafltich geboten. Denn der Einfluss der sehr viel älteren französischen Kollegen aus Frankreich auf den deutschen Impressionisten Slevogt sei noch nie fürs Publikum aufgearbeitet worden. Außerdem könne die neue Moderne Galerie durch diese Themensetzung auch französisches Publikum wieder auf sich aufmerksam und womöglich zu Stammgästen machen. Allerdings wird „Slevogt und Frankreich“ nicht im Neubau-Flügel spielen, sondern an vertrauter Stelle, im Wechselpavillon. Recht konservativ. Eine verpasste Chance, mal richtig für Überraschung zu sorgen? Mönig sieht das anders: „Der Erweiterungsbau wird dazu führen, dass man auch die Qualitäten des Altbaus nochmal ganz neu entdecken wird.“

Die neuen Räume zumindest gehören bei der Eröffnung dem hingegen den Zeitgenossen: die kalifornische Künstlerin Pae White (Jahrgang 1963) und Michael Riedel, der auch die Museumsfassade und den Vorplatz zu einem grafischen Gesamtkunstwerk zusammengeführt hat. Ihm wird das dritte Obergeschoss mit den großen Panoramafenstern zur Verfügung stehen, um am Ende des Rundgangs, wie Mönig sagt, „von drinnen nach draußen zurück zu grüßen“. White hingegen, die dieses Jahr zum zweiten Mal an der Biennale in Venedig teilnimmt, soll den höchsten, den „Kathedralenraum“ im Neubau bespielen. White, eine heitere und unbekümmerte Grenzgängerin zwischen Innendesign, Grafik und Installation, habe den Kunstbegriff erweitert, begründet Mönig seine Wahl.

 Camille Pissarros „Schneelandschaft in Louveciennes“ (1872), das aus dem Museum Folkwang nach Saarbrücken kommen wird und rechts daneben Max Slevogts Gemälde „Blühende Bäume“ im Besitz der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.

Camille Pissarros „Schneelandschaft in Louveciennes“ (1872), das aus dem Museum Folkwang nach Saarbrücken kommen wird und rechts daneben Max Slevogts Gemälde „Blühende Bäume“ im Besitz der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.

Foto: Saarlandmuseum
 Im Vierten Pavillon wird die amerikanische Künstlerin Pae White im November eine Rauminstallation schaffen. Unser Foto zeigt eine Installation von ihr in Seattle (Henry Art Gallery).  

Im Vierten Pavillon wird die amerikanische Künstlerin Pae White im November eine Rauminstallation schaffen. Unser Foto zeigt eine Installation von ihr in Seattle (Henry Art Gallery).  

Foto: Pae White/neugerriemschneider, Berlin/Mark Woods

Der Chef des Saarlandmuseums möchte dazu beitragen, dass sie in Deutschland die Aufmerksamkeit bekommt, die sie seiner Meinung nach verdient. Dass man ihre Kunst mitunter mit den Begriffen nett und gefällig in Verbindung bringt, schreckt Mönig nicht. Er, der sonst Minimalistisch-Puristisches schätzt, hält Whites barocken Stil- und Materialmix, für eine herausfordernde „Grenzverletzung“. Derzeit entsteht ihr Raumkonzept, „Sie ist eine Wundertüte“, sagt Mönig.

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