„König Fußball“ im Deutschen Zeitungsmuseum Das Runde, das Eckige, das Politische

Wadgassen · Das Deutsche Zeitungsmuseum in Wadgassen widmet sich dem Kicken: „König Fußball“ heißt die neue Ausstellung und zeigt „Karikaturen vom Anstoß bis zum Abpfiff“.

 Oskar Lafontaine, damals noch im SPD-Trikot, würde den Ball ja gerne versenken – aber Kanzler Helmut Kohl füllt das Tor ohne Mühe. Eine Zeichnung von Horst Haitzinger aus der „Berliner Zeitung“ vom 16. 10. 1996.

Oskar Lafontaine, damals noch im SPD-Trikot, würde den Ball ja gerne versenken – aber Kanzler Helmut Kohl füllt das Tor ohne Mühe. Eine Zeichnung von Horst Haitzinger aus der „Berliner Zeitung“ vom 16. 10. 1996.

Fußball ist ja bloß Sport? Natürlich nicht. Das Balltreten (der Profis, wohlgemerkt) ist eben auch eine gigantische Geldmaschinerie, ein Mittel lokaler oder nationaler Identifizierung, des ewigen „Wir gegen Die“. Und, so gesehen, ist das Profi-Kicken in seiner Verbindung aus Kapitalismus und Konkurrenzkampf ein wunderbarer Spiegel menschlicher Natur.

Passend zur WM, und zufällig auch zu einem Mini-Skandal um Grinsebilder deutscher Nationalspieler mit einem türkischen Despoten, rollt das Deutsche Zeitungsmuseum unserem König Fußball den roten Teppich aus, in Form eines grünen Rasen-Imitats: Im „Multifunktionsraum“, wo sonst die Tische für Workshops stehen, kann man nun einen Fußball in einem Tor versenken, das Runde muss ja ins Eckige – spielentscheidend aber sind die rund 120 Karikaturen an den Wänden. Mal beleuchten sie die Welt des Fußballs, mal nutzen sie die Bildsprache und Symbolik des Sports, um Kritik an der Politik oder insgesamt am Weltgeschehen auf den Punkt zu bringen.

Da liegt etwa ein Fußballstadion in rauchenden Trümmern, und zwei Männer fragen sich, ob wieder britische Hooligans zugeschlagen hätten. Aber nein, es waren bloß europäische Regierungschefs – eine Karikatur, die gut ins Heute passte, tatsächlich aber auch schon 32 Jahre alt ist. Oder man sieht, in einer Zeichnung von 2016, wie der damalige französische Präsident Hollande zum kurvenreichen Dribbling zum Stade de France ansetzt: vorbei an gestapelten Abfallsäcken und gallischen Müllmännern, die so gegen die horrenden Ausgaben der EM 2016 protestieren. Oder, 2012, sprintet ein griechischer Stürmer, laut Kommentator „noch im Bankrott-Ball-Besitz“ auf einen Pleite-Abgrund zu, doch Spanien ist ihm dicht auf den bestollten Fersen.

Die Karikaturen stammen aus dem Fundus des Sammlers Koos van Weringh, der mit dem Zeitungsmuseum unter anderem bei der Schau „Der Tod in der Karikatur“ zusammengearbeitet hat. Museumsdirektor Roger Münch und van Weringh haben aus 700 Stücken 120 ausgewählt und für Wadgassen mit Erklärungen versehen. „Das Problem mit Karikaturen“, sagt Münch, „ist ja ihre Zeitgebundenheit – irgendwann sind sie nicht mehr verständlich, weil spätere Betrachter nicht mehr wissen, worum es geht.“ Etwa im Falle des damaligen englischen Innenministers Jack Straw (in einer Zeichnung von 1998), der die Maßnahmen gegen Hooligans verschärfen will: Nun hat ein öffentlicher britischer Fernsprecher zwar ein Schild mit der Nummer einer „Hooligan-Hotline“ – doch der Telefonhörer ist längst abgerissen.

Nach neun Themenfeldern sind die Karikaturen geordnet: darunter „König Fußball“, „Fußball ist Krieg“ (nach dem kernigen Zitat des niederländischen Trainers Rinus Michels), „Fans – Hooligans – Rassismus – Terror“, „Fußball und die Medien“ sowie „Fußball und Geld“. Ein weites Feld also. Da geht es um die beflügelnde, gleichzeitig einlullende Euphorie, die die großen Turniere begleitet, so dass man den Rest der Welt gerne vergisst: In einem Bild sitzen Fußballfans gebannt vor dem Fernseher, während von hinten eine syrische Blutpfütze heranschwappt (aber eben nicht nahe genug, um zu stören). Die Korruption der Fifa ist natürlich ein Thema, und auch Kaiser Franz wird nicht geschont. „Wir müssen Sie leider einsperren, Herr Beckenbauer“, sagen zwei Uniformierte, doch der Angesprochene reagiert gelassen: „Geht nicht, ich bin Libero.“

Viel zu sehen gibt es, auch stilistisch – mal eher konventionelle Gebrauchskunst, die vor allem zur Pointe führen will, mal kleine zeichnerische Kunststücke. Als Einstimmung gibt es in einem zweiten Raum einige ältere WM-Bücher zum Blättern, ein betagtes „Tipp-Kick-Spiel“ (wenn auch hinter Glas) und das Vinyl-Album „Fußball ist unser Leben“, das 1974 die deutschen WM-Kicker mal stimmstärker, mal -schwächer besangen. Auch Zeichnungen saarländischer Künstler sind zu sehen, im Band „Satanische Fersen“ von 1994 (siehe unser heutiges Titelfoto). Und ein Kleinod könnte beinharte Fußballfans, die vielleicht nicht jede kritische Karikatur hier witzig finden, versöhnen: zwei kleine Gummi-Fußballschuhe, signiert von Fußballgott Fritz Walter.

 Ein Blick in den frisch begrünten Ausstellungsraum.

Ein Blick in den frisch begrünten Ausstellungsraum.

Foto: Tobias Keßler
 Im Knast: die Korruptionsprofis der Fifa.

Im Knast: die Korruptionsprofis der Fifa.

Foto: Klaus Stuttmann / Der Tagesspiegel/Klaus Stuttmann

Bis 15. Juli (WM-Finaltag!). Dienstag bis Sonntag, 10 bis 16 Uhr. Ein Magazin mit allen Karikaturen kostet 9,90 Euro. www.deutsches-zeitungsmuseum

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