Skulpturenprojekt Münster Der Skulptur auf der Spur

Münster · Alle zehn Jahre lädt die Kunstschau „Skulptur Projekte Münster“ zu einer ganz besonderen Schnitzeljagd ein.

 Der Schriftzug "Skulptur" wird am 09.06.2017 in Münster (Nordrhein-Westfalen) an einer Hausfassade angebracht. Die Eröffnung der fünften Ausgabe der Zehn-Jahres-Großausstellung Skulptur Projekte ist am 10.06.2017. Ihr Ableger ist im 60 Kilometer von Münster entfernten Marl. Foto: Friso Gentsch/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Der Schriftzug "Skulptur" wird am 09.06.2017 in Münster (Nordrhein-Westfalen) an einer Hausfassade angebracht. Die Eröffnung der fünften Ausgabe der Zehn-Jahres-Großausstellung Skulptur Projekte ist am 10.06.2017. Ihr Ableger ist im 60 Kilometer von Münster entfernten Marl. Foto: Friso Gentsch/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Foto: dpa/Friso Gentsch

Die ersten „Skulptur Projekte“ ignorierten die Münsteraner noch, die zweiten kritisierten sie, die dritten tolerierten und die vierten goutierten sie dann euphorisch. So sagt Kasper König gerne, der die Kunstschau 1977 zusammen mit Klaus Bußmann initiierte. Auch in diesem Jahr ist er wieder ihr künstlerischer Direktor. Alle zehn Jahre, zeitgleich mit jeder zweiten Documenta, läuft sie und lädt zu einer Schnitzeljagd der besonderen Art. Dieses Jahr sind 35 Werke in der Stadt verteilt. Bis Oktober rechnet man mit 650 000 Besuchern.

Seinen Anfang nahm alles 1973 mit der Skulptur „Drei rotierende Quadrate Variation II“ von George Rickey. Münsters Kunstkommission hatte dem Stadtrat empfohlen, das Werk anzukaufen, worauf es heftige Proteste gab. In den Zeitungen empörten sich Leser über den Preis (130 000 Mark) für ein Werk, das so aussieht wie es heißt. Selbst als eine Bank es der Stadt schenken wollte, ging der Sturm der Entrüstung weiter. Also entschieden Bußmann und König sich, den Einwohnern von Münster zu zeigen, was Kunst ist. So entstand die Idee zur Kunstschau „Skulptur Projekte“, die, wie die Bildzeitung titelte, das „größte begehbare Museum der Welt“ sei. So manche Arbeit wurde von der Stadt seitdem angekauft und blieb in Münster, so dass heute fast 50 Werke im öffentlichen Raum zu sehen sind. Etwa die riesigen Billardkugeln nachempfundenen „Giant Pool Balls“ von Claes Oldenburg, die angetrunkene Studenten am 2. Juli 1977 nachts in den Aasee kullern wollten, wovon sie ein Polizeieinsatz abbrachte. Oder das Projekt von Hans-Peter Feldmann, der 2007 die öffentlichen Toiletten auf dem Domplatz sanieren ließ und durch sinnliche Musik zu einem Erfahrungsraum machte. Die Toilettenfrau soll sie mittlerweile durch Volksmusik ersetzt haben, daran aber stört man sich in Münster nicht.

Von den 2017 gezeigten Skulpturen haben nur wenige das Zeug zum Ankauf. Thomas Schüttes „Nuclear Temple“ vielleicht, eine 2,5 Tonnen schwere Reaktorkuppel aus rostigem Stahl, die sich auf dem Gelände des ehemaligen Zoos vielsinnig mit Bedeutung aufladen lässt. Oder die Spiegelfliesenskulptur des sich „Peles Empire“ nennenden Berliner Künstlerinnenduos (Barbara Wolff und Katharina Stöver), die mit einer Giebelattrappe an die Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges und den Wiederaufbau Münsters erinnert. Ansonsten setzte sich der bereits 2007 erkennbare Trend weg von der Skulptur, hin zum Projekt fort. Der Japaner Koki Tanaka ließ zehn Tage lang acht Münsteraner mit multikulturellen Wurzeln in einer WG leben und sie über die Frage „How To Live Together?“ diskutieren. Jetzt zeigt er in den ehemaligen Wohnräumen die Filmmitschnitte. Der Amerikaner Michael Smith bietet während der 100 Tage allen Personen, die 65 oder älter sind, Sonderkonditionen in einem Tattoo-Studio an. Gregor Schneider hat an der Westseite des LWL-Museums die Einliegerwohnung eines fiktiven „N. Schmidt“ eingerichtet und okkupiert somit das 2014 nach dem Umbau wiedereröffnete Museum, das mit seiner wunderbaren Sammlung allein schon einen Besuch Münsters wert ist.

Wem die Wege zu weit sind, der kann sich in der Fahrradstadt Münster für zwölf Euro am Tag ein Rad leihen und die weiter entfernten Satelliten besichtigen. Etwa Pierre Huyghes Installation „After A Life Ahead“, in der er mit Beton, Sand, Bakterien und menschlichen Krebszellen in der ehemaligen Eissporthalle eine Landschaft ganz eigener Art hat entstehen lassen. Das Projekt mit dem größten Spaßfaktor liegt ebenfalls in der Peripherie und stammt von Ayse Erkmen. Die türkische Künstlerin hat im Hafenbecken des Kreativkais Stege verlegen lassen. Laufen Besucher darüber, sieht es aus, als könnten sie wie Jesus übers Wasser gehen.

Bis 1.10. Info: www.skulptur-projekte.de

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