Saarlandmuseum Der Spürsinn und die Raubkunst

Saarbrücken · Die Provenienzforscherin Maité Schenten hat spannende Einblicke in ihre Arbeit am Saarlandmuseum gewährt.

 Max Slevogts „Skizze Orang-Utan I“.

Max Slevogts „Skizze Orang-Utan I“.

Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz

Spätestens mit dem Fall Gurlitt und dem Schwabinger Kunstfund im Jahr 2013 dämmerte wohl auch den letzten deutschen Museen, dass die Suche nach von den Nationalsozialisten beschlagnahmtem Kulturgut eine zentrale Aufgabe ist. Dabei hatten sich Deutschland und 42 weitere Staaten schon 1998 in der Washingtoner Erklärung verpflichtet, nach NS-Raubgut zu fahnden und dieses zurückzugeben, obwohl die zivilrechtlichen Ansprüche bereits verjährt sind.

Zwar ist die Erklärung rechtlich nicht bindend, doch der Druck der Öffentlichkeit mittlerweile so hoch, dass den Museen kaum etwas anderes übrigbleibt, als die Bestände nach NS-Raubgut zu durchforsten. Die Verzagtheit ist leicht zu erklären, denn den Museen könnten einige ihrer Preziosen verlorengehen. Außerdem ist die Recherche aufwendig und somit teuer.

Immerhin 15 Anfragen hatte es nach 1998 auch an das Saarlandmuseum gegeben. Trotzdem bekannte sich das Museum erst 2015 ernsthaft zu seiner Verantwortung und schuf mit Unterstützung der Stiftung „Deutsches Zentrum Kulturgutverluste“ eine eigene Stelle zur Untersuchung seiner Werke auf deren Herkunft. Dass die Suche nicht immer leicht ist, erörterte die Provenienzforscherin des Saarlandmuseums Maité Schenten am Mittwoch in einem Vortrag in der Schlosskirche. Die Sammlung des Museums ist in weiten Teilen nicht zu beanstanden. Vieles wurde bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus angeschafft, außerdem ist ein großes Konvolut Nachkriegskunst und damit unverdächtig.

Probleme bereitet vor allem die 1980 in den Besitz des Museums übergegangene Privatsammlung Kohl-Weigand. Der aus der Pfalz stammende St. Ingberter Geschäftsmann Franz Josef Kohl-Weigand hatte bis zu seinem Tod 1970 rund 200 Gemälde und 8000 Grafiken zusammengetragen. Sein Augenmerk galt Max Slevogt, Hans Purrmann und Albert Weisgerber; aber auch Arbeiten von Lovis Corinth, Max Liebermann und Brücke-Künstlern finden sich in der Sammlung. Der 1900 geborene Kohl-Weigand war Mitglied der NSDAP, ansonsten ist wenig über sein Verhalten während der Zeit des Nationalsozialismus bekannt. Da er An- und Verkäufe aber kaum dokumentierte, ist die Arbeit von Schenten schwierig und erfordert viel kriminalistischen Spürsinn und Zeit zum Stöbern in Archiven und alten Ausstellungskatalogen.

Trotz intensiver Recherchen bleibt die Herkunft einiger Bilder aber ungewiss und wird vielleicht nie geklärt werden können. Inzwischen kann die gebürtige Luxemburgerin aber einige Erfolge vermelden. Viele Arbeiten sind unbedenklich, weil Kohl-Weigand sie bereits vor 1933 erwarb oder sie aus dem Besitz seines Vaters stammen. Andere Werke konnte sie als beschlagnahmtes „Judengut“ identifizieren, oder es stellte sich heraus, dass diese unter Zwang veräußert worden waren, damit die Besitzer „Reichsfluchtsteuer“, „Judenvermögensabgabe“ und „Auswandererabgabe“ zahlen konnten und ausreisen durften. In diesen Fällen sucht Schenten Kontakt zu den Nachfahren der Besitzer und bemüht sich um eine Restitution.

Einige Gemälde und Grafiken mussten schon früher rückgeführt werden, konnten aber von den Besitzern zurückgekauft werden, wie etwa Slevogts „Skizze Orang-Utan I“ aus der Sammlung von Adele Freundlich oder Weisgerbers „Jahrmarkt in St. Ingbert“ aus der Sammlung Flersheim. Bei Slevogts „Rückenakt“ von 1907 stellte sich heraus, dass das Bild 1946 von den berühmten „Monuments Men“ der U.S. Army an die Witwe von Slevogts Sohn zurückgegeben worden war. Slevogt junior hatte es 1942 dem Landesamt für Denkmalpflege zur Verwahrung gegeben, um es vor Kriegsschäden zu schützen. Hier ist der Besitz also unbedenklich.

Mit der Wiedereröffnung des Saarlandmuseums am 18. November soll auch eine Ausstellung neue Erkenntnisse der Provenienzforschung des Museums zeigen.

       Maité Schenten, die Provenienzforscherin des Saarlandmuseums.

Maité Schenten, die Provenienzforscherin des Saarlandmuseums.

Nächster Termin der Ringvorlesung: 29. November, 18 Uhr, Schlosskirche: Bernd Mohnhaupt von der Uni des Saarlandes spricht über „Von Gurlitt zu Marlitt – Überlegungen zum Boom der Provenienzforschung“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort