Interview zu „Dunkirk“ Der Tod am Strand und in den Dünen

Der britische Regisseur („Inception“) über seinen neuen, hochgelobten Kriegsfilm „Dunkirk“

 Ein banger Blick in den Himmel — von dort drohen den britischen und französischen Soldaten die Jagdmaschinen der deutschen Luftwaffe.

Ein banger Blick in den Himmel — von dort drohen den britischen und französischen Soldaten die Jagdmaschinen der deutschen Luftwaffe.

Foto: Warner Bros./Courtesy of Warner Bros. Picture

Mit seinem Kriegsfilm „Dunkirk“ erinnert der britische Regisseur Christopher Nolan („The Dark Knight“, „Inception“) an die Evakuierung von 330 000 Soldaten vom Strand der französischen Stadt Dünkirchen, unmittelbar bevor die deutsche Wehrmacht vorrückte. Dank der Hilfe von britischen Zivilisten konnten damals unzählige Männer gerettet werden. „Dunkirk“ zeigt die Ereignisse  aus drei Perspektiven: Der junge Soldat Tommy wartet auf dem Land mit den anderen Soldaten auf seine Evakuierung. Zwei RAF-Piloten wehren in ihren Spitfire-Maschinen die gegnerischen Luftangriffe ab. Und ein britischer Zivilist  versucht, auf dem Wasser so viele Leben wie möglich zu retten.

In Ihrem Film geht es um wahre Ereignisse im Krieg, er zeigt dramatische Szenen — würden Sie ihn dennoch als Unterhaltungsfilm verstehen?

NOLAN Der Grund, warum ich das Kino liebe, ist, dass dich die große Leinwand überall hinbringen und alles machen kann, diese Vielfalt der Erlebnisse, die wir als Unterhaltung einstufen. Es gibt sehr viele Arten unterhalten zu werden. Nehmen Sie etwa Horrorfilme, das ist ein Extrem — man hat Angst, aber auch irgendwie Spaß. Bei „Dunkirk“ haben wir versucht, Spannung zu schaffen. Wir zeigen nichts Blutiges, nichts, was einen dazu verleitet, von der Leinwand wegzuschauen. Das ist die Sprache der Spannung, eine der populärsten in der Filmgeschichte. Denken Sie an große Regisseure wie Alfred Hitchcock.  In all seinen Filmen ging es um die visuelle Sprache der Spannung, und er hatte großen Einfluss auf mich. Niemand kann bestreiten, dass Hitchcock in erster Linie Unterhaltung geschaffen hat. Es klingt seltsam in Zusammenhang mit einem Film über ein reales Drama, aber daraus leitet sich auch die Spannung in diesem Film ab.

Wie sehr kann man sich an die tatsächlichen Fakten halten, wenn man Unterhaltung schaffen will?

NOLAN Das ist sehr schwierig. Ich hab mich dazu entschieden, eine Welt der Evakuierung zu erschaffen und fiktive Charaktere die durchleben zu lassen. Ich wollte nicht für reale Menschen sprechen, die nicht mehr für sich selbst sprechen können. Als Drehbuchautor weiß ich, wie viel Künstliches man zu einer Charakterisierung hinzufügen muss, damit man dem Publikum die Wahrheit zeigt. Manchmal gibt es eine Lüge, die die Wahrheit erzählt. Man muss Dinge fiktionalisieren und künstlich dramatisieren, damit das Publikum die Wahrheit dahinter versteht.

Der Film zeigt die Ereignisse auf drei Ebenen und zu unterschiedlichen Zeiten. Wie haben sie das Skript konzipiert?

NOLAN Ich habe das so wie auch schon andere Drehbücher geschrieben, insbesondere „Memento“. Ich habe einen strukturellen Entwurf gemacht, von dem ich dachte, dass er die Geschichte gut transportieren kann. Ich wollte das Ausmaß der Evakuierung zeigen, ohne die Sicht der einzelnen Personen aus dem Auge zu verlieren. Deswegen zeige ich keine Politiker und Generäle mit Landkarten in irgendwelchen Sälen. Mit den drei Zeitlinien wollte ich dem Publikum die menschliche Perspektive und gleichzeitig den gesamten Überblick geben. Ich habe also eine geografische und mathematische Struktur für das Drehbuch geschaffen.

Der Film wurde im IMAX-Format und in 70 Millimeter gedreht. Aber nicht jede Stadt hat ein IMAX-Kino oder einen 70-Millimeter-Projektor. Kann man den Film dann überhaupt angemessen sehen?

NOLAN Wenn man die Bilder im bestmöglichen Format aufnimmt, dann profitiert davon auch jede andere Version, die produziert wird, auch die digitalen Versionen, auf die wir sehr viel Zeit verwendet haben. Natürlich bieten die Kinos, die einen 70-Millimeter-Projektor haben, eine besondere Leistung. Deshalb empfehle ich auch Jedem, der die Möglichkeit dazu hat, den Film dort zu sehen. Aber für alle, die das nicht können, haben wir sieben verschiedene digitale Versionen erstellt, auf die ich sehr, sehr stolz bin.

Also sehen trotzdem alle denselben Film?

NOLAN Naja, der Film hat im IMAX-70-mm-Format das größte Seitenverhältnis und die höchste Bildqualität, die es überhaupt gibt. Davon haben wir nur 38 Kopien, und das ist eine wunderbare Art den Film zu sehen. In dem Format haben wir den Film gedreht, diese Kopien sind direkt von den Originalnegativen, das ist also schon etwas Besonderes und intensiviert das Erlebnis noch. Aber die Geschichte, die wir erzählen, bleibt immer dieselbe.

 Regisseur und Autor Christopher Nolan (l.) und Kenneth Branagh, der den britischen Offizier Commander Bolton spielt.

Regisseur und Autor Christopher Nolan (l.) und Kenneth Branagh, der den britischen Offizier Commander Bolton spielt.

Foto: Melinda Sue Gordon

Die Fragen stellte Philip Dethlefs (dpa) bei einem Gespräch in London.

„Dunkirk“ startet morgen in den meisten Kinos der Region. Kritik zum Film morgen in unserer Beilage treff.region.

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