Baukultur beginnt im Privaten Ein Loblied auf die Privatheit von Höfen

Saarbrücken · Was gelungene Stadtplanung bedeutet, analysierte der Architekt Christoph Mäckler in einem Göttelborner Vortrag.

 Es ist nicht immer leicht, bei dicht gedrängter Nachbarschaft einen Hauch von Privatheit zu kreieren. Und längst nicht immer ist die Umsetzung dieses  Wunsches stilbildend: Blick auf einen Hof in Alt-Saarbrücken. 

Es ist nicht immer leicht, bei dicht gedrängter Nachbarschaft einen Hauch von Privatheit zu kreieren. Und längst nicht immer ist die Umsetzung dieses  Wunsches stilbildend: Blick auf einen Hof in Alt-Saarbrücken. 

Foto: Robby Lorenz

Auf dem ehemaligen Citroen-Areal an der Großherzog-Friedrich-Straße in Saarbrücken soll bald ein neues städtisches Wohnquartier entstehen. Auf Betreiben der Stadt sollen auch Bürger, die dort nicht wohnen, diese künftigen „Großherzog-Friedrich-Höfe“ –  zumindest tagsüber – durchqueren können. Folgt man Christoph Mäckler, so ist die Öffnung von Innenhöfen in Blöcken für die Öffentlichkeit grundsätzlich keine gute Idee. Denn: „Das, was Bewohner normalerweise an einem Hof lieben, die Ruhe und Privatheit, geht verloren.“

Der Frankfurter Architekt und Stadtplaner mit Professur für Städtebau an der Technischen Universität Dortmund sprach am Donnerstag auf Einladung der Stiftung Baukultur Saar in Göttelborn darüber, was bei der Planung und Umsetzung von neuen Stadtquartieren heute falsch läuft und warum sich viele Menschen deshalb in Stadtvierteln aus dem 19. Jahrhundert wohler fühlen.

Die Ursache sieht Mäckler darin, dass vielen Architekten und Stadtplanern das Wissen um wichtige Prinzipien des Städtebaus abhandengekommen sei, die bis heute die Lebensqualität der europäischen Stadt ausmachten. Eines dieser Prinzipien ist für den Experten etwa die Trennung von öffentlichem und privatem Raum. Deshalb spricht Mäckler sich für eine geschlossene Blockbebauung aus, die eine klar definierte Trennung zwischen öffentlichem (Straßen-)Raum und privatem Raum gewährleiste. Man erhalte so eine Straßenfassade, die die Siedlung begrenze und im Inneren, in Höfen oder Gärten, finde das Leben der Bewohner statt, beschreibt er den Vorzug. Beim Siedlungsbau der 60er Jahre, bei dem man die Häuser vorrangig nach dem Prinzip gleichmäßiger Ost-West-Besonnung in Zeilen auf die Wiese stellte, ist für Mäckler diese klare Abgrenzung zur Straße eben nicht gegeben. Auch bei der heute oft üblichen offenen Blockbebauung, bei der Häuser in zweiter Reihe geplant werden, werden öffentlicher und privater Raum vermischt, wie Mäckler an Fotobeispielen aufzeigte. Indem die Haustür und Zufahrtsstraße des einen Nachbarn dem Garten des anderen gegenüber liegt, hat dieser keinen wirklichen Rückzugsbereich.

Für Mäckler, der 2008 an der TH Dortmund ein Institut für Stadtbaukunst gründete, gilt es auch, das Prinzip der Differenzierung zwischen „vorn und hinten“ wiederaufzunehmen. Früher habe man Häusern eine Straßenfassade gegeben, mit der man zugleich den Straßenraum gestaltete und ihm einen Charakter verlieh, so Mäckler. Heute dagegen würden Wohngebäude von allen Seiten gleich gestaltet – und oft als gesichtslos empfunden. Oder man bringe große Balkone, die doch Intimität ermöglichen sollten, zur Straße an, „als ob es dort zum Mittelmeer ginge“. Nicht nur bei der Gestaltung von Fassaden plädiert Mäckler für eine Rückbesinnung auf Traditionen, auch bei der von Plätzen, die sich früher dadurch auszeichneten, dass sie von Gebäuden eingefasst wurden, während sie heute oft in die Umgebung ausfransten.

Auch für die heute von Stadtplanern gewünschte (Wieder-)Einführung von Mischnutzungen in Wohnquartieren, etwa durch Gewerbe oder Schulen, findet Mäckler im Städtebau des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gute Beispiele. Seine Thesen für eine Reform des Städtebaus, die Mäckler nicht nur in seinem Institut für Stadtbaukunst vertritt, die vielmehr auch in die von ihm mitunterzeichnete „Kölner Erklärung“ von 2014 einflossen, sind nicht unumstritten. Wenn Mäckler auch Rückbesinnung fordert, so sieht er sich doch nicht als rückwärtsgewandt. Wenn er das Loblied der Fassade singt, soll das nicht heißen, dass er den Stuck des 19. Jahrhunderts haben will. Es gehe ihm nur um bestimmte Prinzipien, für die man eine heutige Architektursprache finden müsse, betonte er in Göttelborn.

Nächster Vortrag in der Vortragsreihe der Stiftung Baukultur Saar unter dem Motto „Stadt – Land – Wohnen“: 7. September (19 Uhr, VHS-Zentrum am Saarbrücker Schlossplatz).  Dann wird Klaus Daniels, HL-Technik Engineering GmbH (München), zum Thema „Low Tech, High Tech, Stupid Tech“ sprechen.

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