Das neue Choreografinnenleben der Ex-SST-Tänzerin Liliana Barros Gestatten: Liliana Barros, Choreografin

Saarbrücken/Braunschweig · Liliana Barros, bis 2017 hier am Staatstheater eine der großen Tänzerinnen, etabliert sich als Choreografin. Dass sie es von Braunschweig aus tut, wo Ex-SST-Intendantin Dagmar Schlingmann Intendantin ist, ist kein Zufall.

 Liliana Barros in ihrem gefeierten neuen Solostück „Nervure“.

Liliana Barros in ihrem gefeierten neuen Solostück „Nervure“.

Liliana Barros gehörte zu den bemerkenswertesten Tänzerinnen des Saarbrücker Balletts. Auf der Bühne war stets mehr als eine Tänzerin, sie war auch eine charismatische Persönlichkeit. Die temperamentvolle Portugiesin, die 2006 unter Maggie Donlon nach Saarbrücken kam, sich zwischendurch für zwei Jahre mal Richtung Kanada verabschiedete und 2017 (auch aus privaten Gründen) ohne Festengagement mit der Schlingmann-Truppe nach Braunschweig zog, hatte in ihrer saarländischen Zeit bereits auch als Choreografin gepunktet. Jetzt, mit 37, scheint sie von Braunschweig aus als Choreografin richtig durchzustarten.

 Für „Nervure“, eine kurze ekstatische Solotanz-Nummer, die Barros bei der Substanz-Ausgabe Nummer 17 im Juni 2017 in der Alten Feuerwache vorstellte, ist sie vor ein paar Tagen erst wieder prämiert worden. Beim internationalen Choreografie-Festival in Kopenhagen erhielt Barros dafür den Preis für „die beste Performance“ und eine Einladung nach Taiwan. Es war nicht ihre erste Auszeichnung. Seit der Premiere sammelte sie quasi Preise und Einladungen für „Nervure“: nach Turin, Frankfurt, in die Berliner Sophiensaele, nach Zypern. Für die „Eisfabrik“ Hannover wird Barros eine „Nervure“-Langversion kreieren und dazu eine zweite Solo-Choreografie für eine andere Tänzerin. „Die Eisfabrik war so begeistert, das sie gesagt haben, sie würden meine Arbeit auch in Zukunft gern unterstützen“, erzählt Barros am Telefon.

„Nervure“ aber ist nur eines unter vielen Projekten, die Barros seit ihrem Abschied von Saarbrücken beschäftigen. Eine polnische Regisseurin, Marta Górnicka, hatte Barros für ihr Regiedebüt „Jedem das Seine. Ein Manifest“ an den Münchner Kammerspielen engagiert, als Tänzerin und Assistentin der Produktion. Górnicka war durch Tanz-Videos im Internet auf Barros aufmerksam geworden. „Sie rief mich an und sagte, so eine Expressivität hätte ich gern in meinem Stück“, erzählt Barros. Auch von Stephan Thoss, dem Ballettintendanten am Nationaltheater Mannheim, erhielt sie einen Anruf. Er entdeckte sie aber nicht zufällig. „Ich habe natürlich, als ich wusste, dass ich selbstständig arbeiten werde, frühzeitig Vorbereitungen getroffen und viele Leute in der Tanzszene kontaktiert“, sagt Barros. Denn Karriere braucht auch Planung. Ihr war klar, dass nicht viele Branchenkenner nach Saarbrücken kommen würden, um sich „My name is Legion“ anzusehen. Diese – ebenfalls formidable – Choreografie für sieben Tänzer hatte Barros 2017 im Auftrag des Staatstheaters für einen Doppelabend mit Stijn Celis kreiert. Also ließ sie neben einem Trailer auch eine Gesamtverfilmung produzieren und verschickte sie gezielt an viele Ballettchefs. Viele hätten sich daraufhin bei ihr gemeldet, was schon erstaunlich genug ist. Doch Thoss lud sie auch gleich ein, einen choreografischen Doppelabend mit ihm zu bestreiten. Das Konzept für ihre Arbeit steht schon, Anfang 2019 beginnen die Proben, im Mai ist Premiere.

Zuerst, gesteht die Künstlerin, habe sie die Aussicht, sich in Braunschweig niederzulassen, nicht unbedingt begeistert. Doch als Basislager, stellte sie bald fest, ist der Standort sehr günstig. Ob Berlin, Leipzig, Dresden oder Hamburg –  in ein, zwei Stunden seien viele wichtige Großstädte zu erreichen. Sie habe in nur einem Jahr viele Kollegenarbeiten ansehen können, viele neue Impulse bekommen. Aber auch viel gearbeitet, sagt sie. Wenn sie nicht gerade choreografiert (im eigenen Studio) und neue Konzepte entwickelt oder Förderanträge stellt, gibt Barros Workshops für Laien, unterrichtet Ballett-Compagnien. Noch braucht sie das auch, für den Lebensunterhalt.

 Barros, die inzwischen in Braunschweig lebt, mit ungewohnt offenen Haaren.

Barros, die inzwischen in Braunschweig lebt, mit ungewohnt offenen Haaren.

 Doch auch am Schlingmann-Haus erhält sie künstlerische Aufträge. Für die Oper „La Bohème“ (Premiere 1. Dezember) in der Regie von Ben Bauer macht Barros die Bewegungschoreografie. Und Jörg Wesemüller, der in Saarbrücken das SST-Jugend-Ensemble U23 leitete und in Braunschweig die Jugendtheatersparte, umwarb Barros so lange, bis sie zusagte, ein Solotanzstück fürs Junge Haus zu choreografieren. Die Premiere von „Funkelfuchs“ ist im Oktober.

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