Colors of Pop Im „Plattenland“ klingt jeder Schritt

Saarbrücken · Lange schien Vinyl Geschichte zu sein. Doch es gibt neue Liebhaber der alten schwarzen Scheibe – und O.W. Himmel, der sie zu Kunst verarbeitet. Zu sehen im Rahmen des Festivals Colors of Pop im Historischen MuseumSaar.

 Der Künstler O.W. Himmel performt bei der Vernissage seiner Schau „Im Plattenland“ im Historischen Museum Saar.

Der Künstler O.W. Himmel performt bei der Vernissage seiner Schau „Im Plattenland“ im Historischen Museum Saar.

Foto: Rich Serra

Wer beschwingt die Wendel-Treppe im Foyer des Historischen Museums in Saarbrücken hochkommt, stockt unwillkürlich auf dem oberen Treppenabsatz. Nein, da kann man doch jetzt nicht ernsthaft drauftreten? Oder doch? Doch. Hunderte Vinylscheiben, die der Köllerbacher Künstler O.W. Himmel in dem 60 Quadratmeter großen Raum über dem Foyer auf den Boden geklebt hat, bilden eine begehbare Installation. Sie heißt „Plattenland“ und ist – initiiert vom PopRat und dem Historischen Museum – Teil des noch bis Sonntag laufenden Festivals Colors of Pop.

Und so trete ich vorsichtig auf Otto und Milva. Neben mir glänzen die Fischer-Chöre. Bei der Platte mit Wim Thölkes „Der Große Preis“ muss ich mich bücken, um die winzig klein gedruckten Interpreten zu lesen: Truck Stop zum Beispiel singt auf dieser Scheibe „Der wilde wilde Westen“. Mich gruselt es. Ein paar Schritte weiter liegt die Knef neben Hugo Strasser und wetten, dass James Last auch nicht weit ist? „Dein ist mein ganzes Herz“ hat das Eterna-Label in den 60er Jahren herausgebracht. Ich muss an meine Oma zu denken, mit der zusammen ich den Operetten-Schmachtfetzen als Kind in deren Wohnzimmer schmetterte. Für mich erwachen diese Vinylscheiben zum Leben. In meinem inneren Ohr höre ich den Soundtrack meiner Kindheit, als man nichts aus dem Internet runterlud, sondern Hörstücke des Europa-Labels am Plattenspieler stehen hatte. Insofern ist O.W. Himmels Installation, in deren Mitte ein „Plattenschlagzeug“ trohnt neben zwei Euro-Paletten mit Vinyl-Stapeln darauf als Massenware, keine zeitlose Kunst. Für junge bis sehr junge Besucher (alle, die Vinyl-Scheiben eben nur aus dem Museum kennen) funktioniert „Plattenland“ nicht. Es fehlen die Assoziationen.

Wer sie aber hat, und sich noch gut an die sorgfältig gepflegten Lieblingsscheiben erinnern kann, wird Spaß haben in dieser kleinen Ausstellung, die der Experte für internationale Musik-Labels zusammengestellt hat und künstlerisch verarbeitet hat. Man kennt das Gelb der „Deutsche Grammophon“, das Rot von „Polydor“. Himmel zeigt eine Auswahl von teils exotischen Labels als Linoldruckgrafiken sowie sich selbst im Großformat inmitten seines „Reiches des schwarzen Goldes“.

Dass es dem Künstler nur in zweiter Linie um die Musik, in erster aber um die Labels geht, weiß der Besucher nicht. Dabei hat Himmel die Platten – allesamt gespendet – nach Label-Farben angeordnet. Eher zufällig sind fast alle Scheiben aus den 60er und 70er Jahren – damals gab es einen großen Markt. Bis die CD die Vinylplatte auf den Müllplatz der Geschichte verfrachtete. Heute würde Vinyl aber wieder mehr gekauft, als „Gegenbewegung zur elektronischen Welt“, sagt O.W. Himmel, der sich mit seiner nostalgischen Kunst gut im Historischen Museum aufgehoben fühlt.

Geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Läuft bis Sonntag.

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