Interview mit Regisseur Philipp Leinemann über „Das Ende der Wahrheit“ „Man macht den Film halt – oder nicht“

Saarbrücken · Der Regisseur über seinen Polit-Thriller „Das Ende der Wahrheit“, der am Donnerstag im Kino startet.

  Ein Foto von den Dreharbeiten: Regisseur Philipp Leinemann (rechts) und Schauspieler August Zirner, der den Leiter des BND spielt.

Ein Foto von den Dreharbeiten: Regisseur Philipp Leinemann (rechts) und Schauspieler August Zirner, der den Leiter des BND spielt.

Foto: Bernd Schuller/BERND SCHULLER

Im Januar hatte der Polit-Thriller „Das Ende der  Wahrheit“ das 40. Filmfestival Max Ophüls Preis eröffnet - nun kommt der Film in die Kinos. In „Das Ende der Wahrheit“ kommt ein BND-Agent Machenschaften in der eigenen Behörde auf die Spur, was ihn in Todesgefahr bringt. Die Hauptrollen spielen Ronald Zehrfeld, Claudia Michelsen und Alexander Fehling, der für seine Rolle gerade mit einem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde. Ein Gespräch über den Film mit Regisseur und Autor Philipp Leinemann, der 2014 mit dem vielgelobten Polizeifilm „Wir waren Könige“ (ebenfalls mit Zehrfeld) bekannt wurde..

Die Hauptfigur Ihres Films gerät beim Bundesnachrichtendienst in ein Komplott um Terrorismus und Rüstungs-Lobbyismus. Wie kritisch sehen Sie den BND?

LEINEMANN Der Film soll keine Schelte des BND sein, sondern er erzählt davon, was geschieht, wenn  einzelne Akteure beim BND mit der Privatwirtschaft kungeln. Außerdem geht es darum, dass dem BND die Hände mehr und mehr gebunden sind, seinem eigentlichen Job nachzukommen – Informationen  sammeln,  analysieren und auch präsentieren. Aber wenn die politische Agenda derzeit so ist, dass Deutschland mit Ländern wie zum Beispiel Saudi-Arabien Geschäfte machen will, dann kann der BND schlecht laut sagen, dass dort die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Es geht mir im Film auch um eine generelle Entwicklung, von der ich im Gespräch mit mehreren BND-Mitarbeitern gehört und bei Recherchen gelesen habe: Dass sie nicht mehr wirklich genau wissen, was etwa in den Maghreb-Staaten oder im Nahen Osten passiert, weil sie von dort abgezogen wurden. Das führte dann zum Beispiel dazu, dass Ereignisse wie der Arabische Frühling und das Erstarken des IS gar nicht mehr wirklich frühzeitig erkannt wurden.

Woher kommt diese Entwicklung?

LEINEMANN Ich glaube, dahinter stecken Sparmaßnahmen, Borniertheit und Naivität. Bei den westlichen Geheimdiensten hat teilweise schon in den 1990ern die Entwicklung begonnen, dass sie aus Angst vor Maulwürfen die Verbindungen zu ihren Informanten vor Ort gekappt haben. Das war eine Art Paranoia, verbunden mit dem Irrglauben, dass man sich komplett auf Satellitentechnik verlassen kann. In einem Buch dazu bezeichnet ein CIA-Agent den Nahen Osten als Folge davon, aus Sicht des Westens, nun als „scheißweißen Fleck auf der Landkarte“.

Der BND-Agent im Film will der Tochter seine Arbeit und die Schwierigkeiten damit erklären. Er sagt „Es ist alles sehr kompliziert“ und korrigiert sich dann: „Es ist eigentlich ganz einfach.“ Aber das ist es eigentlich doch nicht, oder?

LEINEMANN Er meint die eigene moralische Haltung und den Blick, den man dann gewinnt, wenn man mal einen Schritt zurück geht – dann ist es einfach zu sehen, was moralisch richtig und was falsch ist. An sich ist aber natürlich nichts einfach in dieser Welt von Geheimdiensten, die so verwoben sind mit den Interessen der verschiedensten politischen Gruppen im Nahen Osten. Syrien ist ja das beste Beispiel, da kann kein Mensch den Überblick behalten, wie beim Krieg gegen den Terror. Ist der in letzter Zeit aussichtsreicher geworden? Oder weniger?

Ein anderer BND-Agent im Film sagt: „Ich hoffe, Ihr Drohnenkrieg funktioniert, sonst wird das ein sehr langer Krieg.“ Wie ist das genau gemeint?

LEINEMANN Man geht davon aus, dass mit jedem Drohnenschlag gegen einen Terroristen drei neue Terroristen entstehen. Die Wut gerade im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan gegen die, die die Drohnen schicken, ist riesig, das ist die falsche Art, Terror zu bekämpfen. Die Kontrollstationen stehen in Ramstein, für Zentralasien,  und in Stuttgart, für Afrika – so gesehen passiert das auch auf deutschem Territorium. Und der BND hat in Asylbewerberheimen Handydaten gesammelt, um an die Nummern von gesuchten vermeintlichen Terroristen heranzukommen und über die Handys ihre Position zu orten. Diese Daten wurden an die CIA weitergegeben. Was ist mit denen passiert? Hat sich Deutschland da der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht? Es gibt keine Urteile, es gibt keine Prozesse, wir erklären diesen Ländern keinen Krieg, von deutschem Boden aus starten Drohnen, um jemanden zu töten. Unter Präsident Obama ist das in einem riesigen Ausmaß passiert – das war eigentlich Obamas Krieg.

Haben Sie sich zur Recherche mit BND-Mitarbeitern getroffen?

LEINEMANN Es gab Treffen, die ziemlich konspirativ abliefen. Da war, wie auch bei den Recherchen zu „Wir waren Könige“ im Polizeimilieu,  viel Frustration über den eigenen Laden zu spüren. Beim BND, das hörte ich öfter, sind sie ständig damit beschäftigt, Akten herauszusuchen für Ausschüsse, die von der Opposition veranstaltet werden, so dass sie zu ihrer eigentlichen Arbeit kaum noch kommen. An einer Zusammenarbeit mit uns war der BND nicht interessiert, was natürlich in seiner Natur liegt. Deswegen haben wir ein Motiv im Film auch nicht bekommen: die Einfahrt des BND in Berlin.

Es gibt eine Actionszene im Film, als die Hauptfiguren in einen Hinterhalt geraten. Formal hat das US-Actionkino-Niveau, ist dann aber untypisch – eine Figur erleidet eine Panik-Attacke, eine andere übergibt sich aus Angst.

LEINEMANN Weil die Szene keineswegs heroisch sein sollte, eben nicht wie im üblichen Actionkino. Ich habe lange mit Ronald darüber diskutiert, ob seine Figur in dieser Szene überhaupt eine Waffe haben soll und zurückschießt. Für diese Szene hatten wir  nicht mal einen ganzen Drehtag. Das wollte mir niemand glauben, als ich den Film in Los Angeles gezeigt habe. Wir hatten wenig Zeit und  Geld für den ganzen Film.

Wie hoch war das Budget?

LEINEMANN Weit unter zwei Millionen Euro bei 27 Drehtagen. Das ist bei so einem Film sehr wenig, das funktioniert nur mit einem Team, das wirklich mitzieht – und dem ich viel Dank schulde. Die wenige Drehzeit ist manchmal frustrierend, man würde ja doch gerne mehr ausprobieren mit den Schauspielern, gerade wenn man so viele Hochkaräter hat wie hier, die gerne noch einen Take mehr machen würden, nochmal etwas versuchen wollen.

Ihr Film ist eine TV-Koproduktion. War es schwer, für „Das Ende der Wahrheit“ einen Sender zu interessieren?

LEINEMANN Nein, nach „Wir waren Könige“ war relativ schnell ein Folgeprojekt gewünscht von allen Beteiligten, darunter ZDF und Arte, was toll war. Aber ansonsten wurde es schwierig, was die Förderung anging. Ich musste mir, wie auch bei „Könige“, mehrmals die Frage anhören, „Ja, ist das denn Kino?“ In anderen Ländern werden Polizeifilme oder Politthriller fürs Kino gemacht,  aber da diese Themen bei uns oft im Fernsehen stattfinden, glauben viele nicht, dass das auf der Leinwand funktioniert. Dieses Argument muss ich dann halt hinnehmen. Wir hatten eben nicht viel Geld – und entweder macht man dann den Film oder nicht.

Regisseur Dominik Graf, der auch zum Festival kommt, dreht seit langem Krimis und Polizeifilme – gibt es da eine gewisse filmische Verwandtschaft?

LEINEMANN Ich habe das in Kritiken zu „Könige“ oder auch in Gesprächen oft gelesen oder gehört.  Aber ich glaube, ich bin da eher unbewusst vom US-Kino beeinflusst, von Scorsese etwa oder von Coppola. Ich schätze und respektiere Dominik Graf sehr, er hat mir nach „Könige“ auch eine sehr liebe Mail geschrieben, aber ich eifere ihm nicht nach. Es ist immer interessant, wie andere Leute einen beschreiben, was für eine Art Filmemacher man ist. In Los Angeles wurde ich als „hard-driven action director“ beschrieben, was ich selbst etwas merkwürdig fand. Ich weiß ja selber nicht, was ich für ein Filmemacher bin, ich stehe noch ganz am Anfang, mich interessiert noch so viel und so viel anderes. Aber wenn man zwei, drei Filme gemacht hat, steckt man schnell in einer Schublade, auch als Schauspieler oder Kameramann. Deswegen habe ich immer sehr zögerlich reagiert auf Angebote vom „Tatort“ oder dem „Polizeiruf“, weil man dann schnell nur noch das macht.

Dann würde sich aus Karriere-Taktik ja jetzt etwa eine romantische Komödie anbieten?

LEINEMANN Zum Glück bekomme ich Pay-TV-Serien angeboten, ich arbeite auch an einem Liebesfilm und an einem Mystik-Thriller. Ich schreibe ja selbst und habe die Chance, diese Filme dann selbst zu entwickeln. Da bin ich guter Dinge.

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