Sommerszene in Saarbrücken Luther erfrischend respektlos vom Sockel geholt

Saarbrücken · Das Stück über den Reformator des Kölner N.N. Theaters überzeugt bei der „Sommerszene“ im Deutsch-Französischen Garten.

  Das N.N. Theater begeisterte mit seinem unkonventionellen „Luther“.

Das N.N. Theater begeisterte mit seinem unkonventionellen „Luther“.

Foto: Iris Maria Maurer

Selbst wer ob der vielen Würdigungen des Reformators in diesem Jahr schon etwas Luther-müde ist, wird beim N.N. Theater wieder hellwach. Am Samstag präsentierte die Kölner Volksbühne, seit 30 Jahren gern gesehener und bejubelter Gast beim Straßentheaterfestival „Sommerszene“, ihr Stück über Leben und Wirken des Religionserneuerers in der Konzertmuschel des Deutsch-Französischen Gartens. In ihrer bewährt erfrischend respektlosen Art holen die Kölner den zum Denkmal Geronnenen vom Sockel und zeigen ihn als Menschen mit Mut, aber auch Ängsten und Verbohrtheiten. Als einen, der ausrichten lässt, er säße am Alten Testament, wenn er sich bei einem „großen Geschäft“ auf der „Cloaca“ quält, wo ihn dann gern auch der Teufel besucht.

George Isherwood, in Saarbrücken auch durch seine Stücke für die „Überzwerge“ als begnadeter Komödienschreiber bekannt, verfasste die Vorlage und fügte viel Menschlich-Allzumenschliches ein. So stürmisch Luther (Oliver Schnelker) seine Thesen gegen den Papst, der mit „Vatikan first“ protzt, schreibt, so verklemmt ist er gegenüber Frauen. Katharina von Bohrer (vorzüglich: Aischa-Lina Löbbert) muss psychologisches Feingefühl anwenden, um ihn zum Vollzug der Ehe ins Bett zu führen. In zwei Stunden erzählen die Kölner die wichtigsten Lebensstationen Luthers und widmen sich auch breit seinem zeitlichen Kontext: Der Verderbtheit des katholischen Klerus, dem Streit mit Thomas Münzer, den Bauernaufständen. Nicht vergessen werden auch Luthers Ambivalenzen und Umschwünge, etwa zum Judenhasser.

Zu einem durchweg kurzweiligen Vergnügen wird das alles durch das untrügliche Gespür der Truppe für Spielszenen mit komödiantischem Potenzial. Bernd Kaftan, wenn er nicht gerade am Keyboard sitzt, Michel Thorbecke und Irene Schwarz schlüpfen in alle möglichen Rollen. Die Dialoge sind spritzig und vollgepackt mir Anspielungen auf heute. Für zusätzlichen Schwung sorgen Gesänge, vom mehrstimmigen Kirchenlied bis zum frechen Song im Brecht-Weill-Stil. Die sparsame Kulisse aus Stoffsäulen wirkt wie für die Konzertmuschel gemacht und ist äußerst wandlungsfähig: Mal Klo, mal Kutsche, mal Vatikanthron, mal Schriftrollen und immer auch gutes Versteck. Fazit: Luther, hier mal überraschend spannend. Über tausend Besucher bedankten sich mit kräftigem Applaus für ein mitreißendes Freilufttheater.

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