Architektur Mit schlichter Eleganz gegen den Größenwahn

Karlsruhe · Er war Bauhaus-Inspirator und Kirchenbau-Reformator: Eine Karlsruher Ausstellung präsentiert zurzeit den Architekten Otto Bartning.

 Einladend und hell: Innenansicht der Stahlkirche auf der Pressa in Köln, den Otto Bartning 1928 entwarf.

Einladend und hell: Innenansicht der Stahlkirche auf der Pressa in Köln, den Otto Bartning 1928 entwarf.

Foto: Hugp Schmölz/Foto: Hugo Schmölz, Otto-Bartning-Archiv der TU Darmstadt

Er gilt als bedeutendster deutscher Architekt des modernen protestantischen Kirchenbaus: Otto Bartning (1883-1959). In den von ihm entworfenen evangelischen Sakralbauten rücken die Gottesdienstbesucher näher an den Altarraum heran, Kirchen können auch als Gemeindehäuser genutzt werden, zur Kosteneinsparung werden viele Teile seriell gefertigt, die Gemeindemitglieder können beim Aufbau mitanpacken und identifizieren sich so stärker mit ihrem Gotteshaus.

Doch Otto Bartning konnte nicht nur herausragende Kirchen entwerfen – dies wird in der gerade in der Städtischen Galerie Karlsruhe eröffneten Ausstellung unter dem Titel „Otto Bartning. Architekt einer sozialen Moderne“ deutlich. Bartning war nach dem Ersten Weltkrieg einer der Initiatoren der Bauhaus-Bewegung. Sie trat den Kampf gegen die dunklen Mietskasernen mit ihren von Licht, Luft und Sonne geprägten modernen Entwürfen zu einem erschwinglichen Preis an. Wenn das Bauhaus heute viel häufiger mit Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe als mit Bartning in Verbindung gebracht wird, so hat das auch mit dessen Lehrtätigkeit zu tun. Nach dem Umzug des Bauhauses nach Dessau übernahm Bartning von Walter Gropius dessen Weimarer Gebäude und richtete dort die „Staatliche Bauhochschule“ ein, in der die Studenten stärker als beim Bauhaus neben der planerischen auch eine handwerkliche Ausbildung erhielten.

In der NS-Zeit widmete er sich dem Bau von Kirchen für deutsche Auslandsgemeinden. So konnte er nach Kriegsende politisch unbelastet Einfluss auf die Neugestaltung Deutschlands nehmen, auch als Präsident des Bundes Deutscher Architekten. 1946 wurde nach seinen Plänen in Neckarsteinach bei Heidelberg eine Lehmbausiedlung gebaut, bei der durch die serielle Produktion einzelner Teile Kosten gespart wurden und die künftigen Bewohner selber bei der Errichtung mithalfen. In Darmstadt entstanden Anfang der 50er Jahre so genannte Meisterbauten – Bartning verwirklichte dort eine Frauenklinik, die den Patientinnen für damalige Verhältnisse höchsten Komfort bot und die Betriebsabläufe effektiv gestaltete. In Berlin wurde Bartning als Leiter der Internationalen Bauausstellung zum entscheidenden Organisator der Interbau von 1957. Im Hansaviertel am Rand des Tiergartens stellten berühmte Architekten wie Le Corbusier, Alvar Aalto und Oscar Niemeyer nach Bartnings Vorgaben ein Viertel auf die Beine, das weltweit Aufsehen erregte. Bartning prägte auch den Aufbau des zerstörten Helgoland, der sich sehr an skandinavischen Vorbildern orientierte. Für seine mehr als 100 nach dem Krieg in ganz Deutschland errichteten so genannten Notkirchen kämpft derzeit eine Initiative um den Titel „Unesco-Welterbe“.

Mit Modellen, Entwürfen, Fotos, Filmen und erläuternden Texten gibt die gelungene Ausstellung Einblicke in die tieferen Beweggründe für solch einen rastlosen Einsatz, der geprägt war von der Sorge um die Entwicklung nach dem Krieg. Das sich anbahnende Wirtschaftswunder wie auch die Tendenz zu repräsentativen Bauten sah Bartning mit großer Skepsis. Er forderte angesichts des gerade überstandenen nationalsozialistischen Größenwahns architektonische Bescheidenheit.

Wenn demnächst das Berliner Schloss wiedereröffnet wird, so sei an Bartnings Haltung kurz nach dem Krieg erinnert: „Wiederaufbau? Technisch, geldlich nicht möglich; sage ich Ihnen; was sage ich? – Seelisch unmöglich! Aber schlichte Räume lassen sich auf den bestehenden Grundmauern und aus den brauchbaren Trümmern errichten.“ Der bloße Wiederaufbau alter Substanz sei „Kulisse und Lüge“.

In Bartnings Heimatstadt Karlsruhe wird der Blick besonders auf drei dort nach seinen Plänen errichtete Kirchen sowie ein Altersheim gelenkt. Letzteres sollte trotz Denkmalschutz abgerissen werden – aus finanziellen Gründen sollte die von Bartning bewusst angelegte park­ähnliche Anlage rund ums Haus einem größeren Neubau weichen. Starker Protest in der Stadt konnte dies verhindern – möglicherweise mit ein Grund für das große Interesse an der Ausstellung in der Stadt, die Bartning gerade wiederentdeckt.

Läuft bis 22. Oktober in der Städtischen Galerie Karlsruhe. Mi-Fr 10-18 Uhr. Sa und So 11-18 Uhr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort