Album von Andy Burrows & Matt Haig Musik wie eine flauschige Kuscheldecke

Saarbrücken · Musiker Andy Burrows und Schriftsteller Matt Haig haben zusammen ein Album aufgenommen: eine charmante Verbeugung vor dem Pop der 1970er.

 Gutes Album, gute Laune: Musiker Andy Burrows (links) und Schriftsteller Matt Haig.

Gutes Album, gute Laune: Musiker Andy Burrows (links) und Schriftsteller Matt Haig.

Foto: Andy Willsher

Bunt wird es vor dem inneren Auge: blaue Jeans-Schlaghosen, güldene Minipli und lange blumige Hemdenkragen schweben umher. Und im Ohr klingt es, als drehe jemand  beherzt am Senderknopf eines Radios, dessen Programm es sich in den 1970ern sehr gemütlich gemacht hat. Singt da nicht manchmal Elton John? Ab und an begleitet von Supertramp? Mit ein bisschen Nostalgie bestäubt von Steely Dan und Queen?

„Reasons to stay alive“ ist in der Tat ein neues Album, die Zusammenarbeit eines Musikers und eines Schriftstellers, beides Briten. Andy Burrows ist der Musiker, der einige Jahre bei der Band Razorlight verbrachte, immer wieder solo arbeitet und Teil der Band We Are Scientists ist. Matt Haig, der die Albumtexte geschrieben hat, ist bekannt als Autor von Kinderbüchern, utopischen Romanen und vor allem Sachbüchern. Sein Selbsthilfe-Bestseller von 2015  heißt so wie das Album, beschäftigt sich mit Haigs Leiden an Depressionen – und das ist die Grundlage des Albums. Umso überraschender, dass es zumindest musikalisch eine ausgesprochen sonnige Angelegenheit ist, mit einem warmen, organischen Klang, frohgemuten Refrains und einer gewissen Harmonieseligkeit.

Von verlorener und wieder gewonnener Hoffnung singt Burrows, von schönen und von schmerzlichen Erinnerungen, vom Blick nach vorne und davon, dass man doch der bleiben soll, der man ist, und sich selbst annehmen muss – Haigs Texte mit leichter Ratgeber-Anmutung reißen keine Bäume aus, aber sie passen kongenial zur Musik. Denn die will einen weniger überraschen denn wohlig wärmen wie eine flauschige Patchwork-Decke. Opulent sind die Arrangements, sämige Gitarrensoli ziehen sich  durchs Album, gerne hämmert ein Powerpop-Piano, ab und an wird ein Streicherteppich ausgerollt (mit Platz für ein Glockenspiel). Und über vielem schweben eben die 70er; Burrows, dessen weiche Stimme an Justin Hayward von den Moody Blues erinnert,  spricht selbst scherzhaft von „Supertramp in der Entziehungskur“.

Das ist durchweg cleverer Pop, der es mit seiner Eingängigkeit manchmal übertreibt. „Parallel Lives“ etwa liefert passende Mitklatsch-Passagen schon mit,  während die Ballade „The Story of Me and You“, in dem sich „Bonny & Clyde“ auf „nothing much to hide“ reimt, eine gewisse Überzuckerungsgefahr mitbringt. Große Gefühle ohne (zu viel) Kitsch gelingt vor allem dem Stück „Handle with Care“, das Schmacht mit knackigen Bläsern und Harmoniegesängen verbindet. Insgesamt also eine Fülle des Wohllauts und wohl nicht die letzte Zusammenarbeit von Burrows und Haig. Sollte das Finale hier ein Indiz dafür sein, wohin die nächste Reise geht, wäre es erfreulich, denn „Lost in Space“ ist der späte Höhepunkt des Albums, der zeitloser wirkt als die zehn Stück zuvor:  Im Hintergrund raunt eine Männerstimme (sicherlich Autor Haig), während es im Vordergrund psychedelisch pulsiert, der unwiderstehliche Refrain wie ein kleiner Choral klingt und sich das Ganze hochschraubt zum großen Klangbeben – ein wundersamer Abschluss.    

Andy Burrows & Matt Haig: Reasons to stay alive (Caroline International /
Fiction Records).

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