Atelierbesuche bei saarländischen Künstlern Bilder als „in Form gebrachte Zweifel“

Saarbrücken · In loser Folge besuchen wir saarländische Künstler in ihren Ateliers: Diesmal Armin Rohr, der seit vielen Jahren im Saarbrücker Kulturbahnhof KuBa ein Atelier angemietet hat und inzwischen zu den bekannteren Künstlern hierzulande gehört.

 Armin Rohr, aufgenommen Mitte Dezember in seinem Atelier im Saarbrücker Kulturzentrum am Eurobahnhof (KuBa).

Armin Rohr, aufgenommen Mitte Dezember in seinem Atelier im Saarbrücker Kulturzentrum am Eurobahnhof (KuBa).

Foto: Oliver Dietze

Er gehöre, sagt er in seinem mit Bildern übersäten Atelier im KuBa sitzend, „zu den Kindern, die nie aufgehört haben zu malen.“ Was ein bisschen klingt wie ein einstudierter Satz. Aber dann doch eher Ausdruck davon ist, dass Armin Rohr viel nachdenkt über sein Leben als Künstler. Und darüber seit 13 Jahren auch schreibt in einem Blog (www.arminrohr.de). Aufgedröselt nach 75 Kategorien, die von „absichtslos“ über „leinwand“ bis „zweifel“ reichen, dokumentiert Rohrs Blog nicht nur Zeichnungen aus seinen Skizzenbüchern oder Fotos seiner Gemälde und Aquarelle, sondern auch diverse Reflexionen und Betrachtungen über sein Leben und seine Kunst.

Was er im Lauf der vergangenen drei Jahrzehnte an Bildern auf Papier oder Leinwand gebracht hat, geht locker in die Tausende. Als er vor einigen Jahren sein Bilderlager auf den Saarbrücker Saarterrassen räumen und nach St. Ingbert auf das Gelände der einstigen Becker-Brauerei transferieren musste, mistete Rohr aus und schmiss einiges weg. Darunter nicht nur „waschkörbeweise alte Aktzeichnungen“, sondern auch seine ersten Ölbilder, die er als Jugendlicher in der elterlichen Wohnung in Sulzbach gemalt hatte. Zum 13. Geburtstag hatten die Eltern ihm einen Malkasten und eine Staffelei geschenkt. Nicht lange danach machte er einen VHS-Malkurs bei dem Sulzbacher Kunsterzieher Hans-Willi Scherf. „Außer mir waren da nur Hausfrauen dabei“, erinnert sich Rohr. Aus Kunstkalendern kopierten sie Werke alter Meister. Eine gute Sehschule. Neben Scherf gehörte ein weiterer Künstler – der in den 50ern noch von Karl Hubbuch an der Karlsruher Kunstakademie ausgebildete Erwin Steitz, Rohrs Kunstlehrer am Gymnasium – zu seinen frühen Förderern. In der Schule, fällt Armin Rohr beim Kramen im Vergangenen ein, habe er überhaupt immer gezeichnet, wenn ihm langweilig war.

Erstaunlicherweise gibt es für ihn nicht ein einziges Bild, das er „nicht hergeben würde“. Alle sind sie für ihn am Ende nur „Stationen“, die zu dokumentieren gegebenenfalls genügt. „Im günstigsten Fall werden sie verkauft oder ausgestellt.“ Behalten muss er sie nicht. „Ich arbeite eher prozesshaft“, sagt Rohr. Weshalb er vieles, was er produziert, früher oder später wieder übermalt. Selbst Gemälde. „Letztlich vergeht sowieso alles“ – ein Satz, der hängen bleibt aus diesem Dezembervormittag im Atelier. Frei von Wehmut. Muss man sich Armin Rohr doch als einen glücklichen Menschen vorstellen. „Hier im Atelier zu sein und den ganzen Tag zu pinseln, das ist ein Privileg. Ein Glück“, meint er einmal und breitet die Arme fast wie die Pfarrer in der Kirche aus. Weil er es sich leisten kann, das zu tun, was er immer wollte. Lebte er alleine, käme er als Künstler über die Runden, sagt Rohr. So aber sorgen seine verbeamtete Frau und er beide für ein regelmäßiges Gehalt, das sie und ihre drei (inzwischen erwachsenen, zum Teil aber noch studierenden) Kinder ernährt.

Rohr ist sich dafür aber auch nicht zu schade, heute selbst VHS-Malkurse anzubieten und mitunter auch Auftragsarbeiten anzunehmen. Etwa Porträts. Zuletzt fertigte er im Auftrag der Landeshauptstadt ein Bildnis des Hitler-Kritikers Max Braun an, von 1928 bis 1935 Vorsitzender der Saar-SPD. Vier Wochen Arbeit von früh bis spät verwendete er darauf. „Den Mantel, den Braun auf dem Bild trägt, habe ich alleine zehnmal übermalt, bis die Farbgebung passte.“ Über die Jahre kamen auch Aufträge für Kunst im öffentlichen Raum hinzu (etwa für die Saarbrücker Sporthochschule oder die Völklinger Herzklinik). Dabei sei er, wie er sagt, alles andere als ein Netzwerker. „Ich habe ganz wenig gezielt und strategisch geplant.“ Eher sei ihm zugute gekommen, dass Aufträge und Verkäufe sich per Zufall ergaben. Per Augen-Propaganda, indem irgendwer irgendwo eines seiner Bilder sah. Und sei’s bei befreundeten Künstlern, mit denen Rohr immer wieder mal Arbeiten tauscht. „Manchmal entsteht dann sogar mal so etwas wie eine kleine Verkaufslawine.“

Weil er vom Verkauf seiner Werke alleine nicht leben kann, kommen bei ihm wie bei vielen Künstlern diverse Dozentenjobs hinzu. An der Saarbrücker Kunsthochschule (HBK) lehrt Armin Rohr seit langen Jahren Aktzeichnen und „Urban Scatching“ – letzteres hieß früher noch „Perspektivisches Zeichnen“. Zudem leitet er hin und wieder auch noch Künstler-Workshops im KuBa oder im Kontext von Leo Kornbrusts „Straße der Skulpturen“ im Nordsaarland. Es gebe „nichts Wunderbareres, als vier Stunden am Stück konzentriert zu arbeiten“, erklärt Rohr, was er an der Lehre hat.

Blättert man alte Ausstellungskataloge von ihm durch und versucht einen weiten Bogen über sein künstlerisches Werk seit den frühen 90er Jahren zu schlagen, erkennt man als dessen eigentliche Kontinuität Rohrs tiefe zeichnerische Prägung. In seinem malerischen Gestus sind bis heute seine illustrativen Qualitäten ablesbar. Ob man nun seine expressiven Porträts, die farbmächtigen Landschaften, die ausgefeilten Raumstudien oder selbst seine ins Abstrakte gehenden Arbeiten nimmt – allen gemeinsam ist eine sichere Linienführung und kompositorische Ausgereiftheit. Weshalb vielen Arbeiten auch häufig skizzenhafte Vorstudien vorausgehen. Seine Skizzenbücher, die er seit 30 Jahren führt und von denen er immer eines dabei hat, enthalten einen Großteil seines figurativen Motivrepertoires. Auch wenn sich dann erst in seiner Malerei, ob Aquarell oder Öl, jene satten, ein Stück weit an Edvard Munch erinnernden Farbverfremdungen Bahn brechen, die typisch für Armin Rohrs Werk sind.

Als er 1994 an der HBK Saar Freie Kunst zu studieren begann, lag bereits ein Grafik- und Designstudium an der Saarbrücker Fachhochschule hinter ihm. Zunächst hatte Rohr dann einige Jahre lang versucht, in Stuttgart künstlerisch Fuß zu fassen und an einer Kunsthochschule anzuheuern. Weil es damit letztlich nur in der alten Heimat klappte, kehrte er ins Saarland zurück und begann in der HBK-Malerklasse von Bodo Baumgarten, der ihn später auch zum Meisterschüler machte. Bis heute sei er wohl der einzige HBK-Meisterschüler, der nie Diplom gemacht habe, erzählt Rohr. In Ensheim nutzte er in dem Haus, das er damals mit seiner Frau und den Kindern angemietet hatte, ein großzügiges Dachatelier, in dem er dann offenbar eine solche Produktivität an den Tag legte, dass Baumgarten ihm, als er Rohr dort aufsuchte, auch ohne Diplom seine Künstlerschaft attestierte.

Obwohl er im Herbst, bei seiner letzten großen Einzelausstellung in der Saarbrücker Galerie Neuheisel, glänzend verkaufte, erzählt Rohr, hätten sich die neun Monate Arbeit, die er darin investierte, rein wirtschaftlich kaum gelohnt, sofern man alles (Arbeitszeit, Atelier- und Materialkosten, Galerierabatt, Steuern, Sozialleistungen) ein- und abrechnet. Wobei die meisten Galerien heute „genauso kämpfen müssen wie die Künstler“. Armin Rohr, der Galerien als Mittler für unerlässlich und kostbar hält, möchte dennoch kein anderes Leben führen. Dass er in seiner Zeit als Grafiker weit besser verdiente, grämt ihn überhaupt nicht. In seinem Blog schrieb er vor ein paar Monaten über sein „Malerbusiness“, seine Bilder seien für ihn „in Form gebrachte Zweifel“. Die Arbeit mit und an diesen Zweifeln hat er so zu seinem Beruf gemacht.

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