„Cosi fan tutte“ am Saarländischen Staatstheater Tanztee statt Frauentausch

Saarbrücken · Sängerlust kämpft gegen Bühnenbetulichkeit: Musikalisch höchst kulinarisch, hat Regisseurin Jean Renshaw die Saarbrücker „Cosi“ am Staatstheater aber mit strikter Ideendiät abgemagert.

 Die Männer sind am Boden – eine Szene aus „Cosi fan tutte“ mit Herdis Anna Jónasdóttir (Despina), Sungmin Song (Ferrando), Valda Wilson (Fiordiligi), Carmen Seibel (Dorabella) und Salomón Zulic del Canto als Guglielmo (v.l.).

Die Männer sind am Boden – eine Szene aus „Cosi fan tutte“ mit Herdis Anna Jónasdóttir (Despina), Sungmin Song (Ferrando), Valda Wilson (Fiordiligi), Carmen Seibel (Dorabella) und Salomón Zulic del Canto als Guglielmo (v.l.).

Foto: Martin Kaufhold/martinkaufhold.de ;Martin Kaufhold

Was trägt der Schotte unterm Rock? Nichts. Haha, das war natürlich ein Witz. Noch dazu ein urururalter. Trotzdem ist man sowas von dankbar, dass Prahl-Hänschen Guglielmo irgendwann mal den rot-blauen Kilt lüftet und Despina losprustet bei dem, was sie da sieht. Oder gerade nicht sieht. Viel, viel mehr jedenfalls von dieser entwaffnenden Dienstmädchen-Frechheit, die Herdís Anna Jónasdóttir so leichthändig und mit keckem Sopran versprüht, hätte diese „Così fan tutte“ im Staatstheater dringend brauchen können.

Eigentlich ist Mozarts und Da Pontes „Schule der Liebenden“ eine volle Breitseite auf die Doppelmoral. Da wird geschworen, geheuchelt, verführt und betrogen, dass mancher Swingerclub dagegen wie ein Tanztee wirken muss. Regisseurin Jean Renshaw aber schafft es, schon Teil eins des Zweiakters auf gefühlte drei Stunden zu dehnen. So runtergehungert an Einfällen hat sie die Treueprobe, so hart fällt ihr Ideen-Regime aus.

Es passiert erstmal fast nichts im Saarbrücker Theater. Man schaut immer bloß auf die Einheitsbühne von Christof Cremer (auch Kostüme), gerahmt von einer Art Proszenium aus Baiser-Stuck – jaja, schon verstanden, alles nur Theater – mit Kleiderträumchen in Mint und Altrosa. Und hinten ballen sich auch noch rosa Tiepolo-Wölkchen. Eine Bühne arrangiert wie die Vitrine eines Macaron-Bäckers. Wunderbar süß, doch Menschen werden in solchen Kostümen zu Püppchen reduziert. Irgendwann giert man nach ’was Salzigem, nach einem Schuss Realität wenigstens in dieser der Zeit und Wirklichkeit entrückten Zuckerbäckerei.

So durchgängig heiter, wie Ren­shaw uns glauben machen will, kann das alles ja gar nicht sein. In der Musik hört man’s. Da werden allzu innige Treueschwüre durch übergroße Intervalle entlarvt, da paart sich Liebe mit rasender Eifersucht, Lust frustet und frostet zu grenzenloser Enttäuschung, wenn der Womanizer Guglielmo und sein Freund Ferrando die Treue ihrer Verlobten Fiordiligi und Dorabella auf die Probe stellen. Aufgestachelt von dem selbst ernannten Philosophen Don Alfonso. Der behauptet: Alle Frauen springen gern mal seitwärts. Also ziehen Guglielmo und Ferrando vorgeblich in den Krieg, kehren aber fix als schottische Edelleute maskiert zurück, um dann als Fremde ihre Freundinnen im Frauentausch zu verführen…

Regisseurin Renshaw zwingt Stefan Röttig als Don Alfonso in priesterliches Schwarz, weshalb der meist mit betenden Händen steif dastehen muss. Dabei singt er diesen Scheinheiligen mit so herrlich zynischer Grundierung. Überhaupt: Was ist das für ein Spitzenensemble! Sechs Stimmen – alle von Rang. Und noch dazu Sänger, die neben dem Pater Provocateur Alfonso, die vor Lebensgier platzende Jugend ihrer Figuren auch überzeugend darstellen können.

Was hätte man in Zeiten aufgeheizter Debatten über Sex, Macht und Missbrauch daraus alles machen können. Doch #MeToo? Ma no! Renshaw inszeniert erregend harmlos. Dabei spielt und singt das Sextett oft mit Macht dagegen an. Mehr als einmal möchte man die Repeat-Taste drücken, wenn Fiordiligi mit ihrer Treue ringt, sich in Tugend martert: Wie kostbar dunkel, verzehrend tönt Valda Wilson ihren Sopran zur ergreifenden Herzensmelodie, derweil Dorabella mit einem der falschen Schotten in den Kulissen schon halbnackte Tatsachen schafft. Carmen Seibel rast mit quicken Mezzo erst furios im Abschiedsschmerz, um bald schon mit Guglielmo im Schottenrock zu pussieren. Glücklich ist, wer vergisst…

Salomón Zulic del Canto ist ein wendiger, frischer Bariton; famos aufreizend singt er diesen Draufgänger. Sungmin Song gibt Ferrando hingegen auch viel Melancholie, tiefe Verletzlichkeit. Seine Verzweiflungsarie in Erkenntnis des Betrugs rührt zutiefst: ohne Frage ein großer Abend für den südkoreanischen Tenor.

Dirigent Stefan Neubert kredenzt dazu mit dem  Staatsorchester einen höchst kulinarischen Mozart. Kein aufgekratztes Historisieren, sondern Wohllautfülle. Klangsinnlich, aber doch tiefsinnig, nuancenreich und fein gearbeitet in den Streichern ist das. Und der nominell zweite Kapellmeister präsentiert sich da tatsächlich als erster Maestro. Sorgsam bringt er Stimmen und Orchester zusammen, schafft Intimität für die Arien, Duette und Quartette, macht in den Rezitativen aber Tempo. Schade, dass es nicht alle so machten – mit dieser „Cosí“.

 Stefan Röttig als Don Alfonso.

Stefan Röttig als Don Alfonso.

Foto: Martin Kaufhold/martinkaufhold.de ;Martin Kaufhold

Weitere Vorstellungen: 17., 27. und 31. Mai. Karten: Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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