Saarbrücker Ophüls-Festival Unter Tage und in der Warteschleife

Saarbrücken · Morgen beginnt mit der „Blauen Stunde“ der Kartenverkauf für das Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken. Wir haben einige Filme vorab gesehen – erste Einschätzungen und Empfehlungen.

 Glück- und arbeitslos: Eva Löbau im sehenswerten Wettbewerbspielfilm „Reise nach Jerusalem“.

Glück- und arbeitslos: Eva Löbau im sehenswerten Wettbewerbspielfilm „Reise nach Jerusalem“.

Foto: Kess Film

Das Leben ist eine Warteschleife. Zumindest für Alice, 39, arbeits- und glücklos. Sie müht sich ab, hat die Bewerbungsgesprächs-Floskeln zwischen „stress­resistent“ und „große Herausforderung“ verinnerlicht – und doch bleiben ihr nur Aushilfsjobs in der Marktforschung, für die sie Benzingutscheine bekommt (ein Auto kann sie sich eh nicht leisten). Lucia Chiarlas  „Reise nach Jerusalem“ aus dem Spielfilmwettbewerb beschreibt mit konsequenter Logik einen Absturz. Das hätte ein Betroffenheitsdrama werden können, das die sozialen Stolpersteine dröge pflichtschuldig durchzählt – aber Chiarla gelingt ein enorm unterhaltsamer Film voller Tragikomik, auch dank der Darstellerin Eva Löbau: Sie brilliert als angeschlagenes  Arbeitsmarkt-Opfer – besonders eine Szene am Geldautomaten ist herzwerweichend.

Morgen beginnt der Kartenverkauf des Ophüls-Festivals, aus dessen Programm man einiges empfehlen kann: den Schweizer Film „Goliath“ von Dominik Locher etwa, der von einem Paar erzählt, das an  der Schwangerschaft der jungen Frau zu zerbrechen droht. Der werdende Vater fühlt sich überfordert und flüchtet sich in eine hypermaskuline Fitness-Welt (Steroide inklusive) – als könnte ihn ein Muskelpanzer vor der Ungewissheit beschützen, ob er als Vater/Mann genügen wird. Potenz/Impotenz, nicht nur im übertragenen Sinne, ist auch eines der Themen, die der österreichische Film „Zauberer“ von Sebastian Brauneis behandelt: ein Reigen der Einsamen und Angeschlagenen, ob nun erblindet, gekündigt, ent- oder verlassen. Ein düsteres, manchmal beklemmendes, intensives Debüt.

Ein Luxemburg abseits des Kirchbergs und der Banken zeigt Govina Van Maeles Wettbewerbspielfilm „Gutland“: Hinter den Fassaden der gepflegten Bauernhäuser geht es nicht ganz so gediegen zu wie ein deutscher Räuber auf der Flucht sich das erhofft. Ein packendes, sehr atmosphärisches Werk, das am Ende ins Phantastische abbiegt.

Ein Film, der polarisieren wird, ist „Hagazussa“ von Lukas Feigelfeld. Er erzählt vom kargen Leben einer Frau im 15. Jahrhundert, die allein in einer Hütte lebt, gemieden/gefürchtet von der bigotten Dorfgemeinschaft, und langsam den Verstand zu verlieren droht. Feigelfeld erzählt das über weite Strecken wortlos, oft in langen Einstellungen, mit archaischen Naturbildern und einigen drastischen Momenten. Die wird sicher nicht jeder Kinogänger goutieren, aber „Hagazussa“ ist ein höchst eigenwilliger, sehr selbstbewusster Film.

Im Wettbewerb des mittellangen Films finden sich einige Perlen: etwa der gewitzte Halbstünder „Death is so permanent“ von Moritz S. Binder, der mit leichter Hand Meta-Ebenen stapelt. Ein Filmstudent will eine Kindheitserinnerung seines Vaters verfilmen. Aber wie? Hollywoodesk? Oder Guido-knoppig? Oder im Duktus einer Betroffenheits-Doku? Und wie verlässlich sind Erinnerungen?

Ganz anders und ebenso sehenswert ist Lutz Rödigs Trostlosigkeits-Schleife „Everyday“, die Szenen des banalen menschlichen Lebens  aneinanderreiht – unter anderem hängen drei Penisse beim Junggesellenabschied im  Bild. Da baumelt, trotz allem, auch Komik.

Unter anderem im Erlebnisbergwerk Velsen entstand Alex Schaads „Endling“ über einen Bergmann, dessen Zeche schließt. Doch die erzwungene Frührente „muss ich nicht haben“, sagt er und plant einen besonderen Abgang. Ein  melancholischer Film mit Atmosphäre und einer schönen Liebesszene ganz in Blau.

Beim Kurzfilm ist etwa das Werk mit dem schönen Titel „Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“ von Bernhard Wenger zu empfehlen: Es beschreibt das ziellose und luxuriöse Abhängen eines jungen Schweden in einem österreichischen Hotel. Eine entspannte und witzige Sinnsuche, die nebenbei das Wohlleben feiert.

Vom Tod erzählt Lukas Baiers Ein-Personen-Stück „Ego“: Eine Frau im Wald, verletzt und eingeklemmt in ihrem Auto – der Schnee rieselt, es wird kalt und dunkel. Viel Spannung auf minimalem Raum gelingt diesem Film, der mit einer bitteren Pointe schließt.

 Unter Tage und am Ende: Der Film „Endling“ erzählt vom Bergmann Armin Kobzcick (Bernd Grawert), dessen Zeche schließt.

Unter Tage und am Ende: Der Film „Endling“ erzählt vom Bergmann Armin Kobzcick (Bernd Grawert), dessen Zeche schließt.

Foto: Donndorffilm

Karten und Kataloge gibt es morgen ab 14 Uhr im Ex-C&A-Gebäude bei der „Blauen Stunde“ (geöffnet ab 10.30 Uhr).
Infos:  www.max-ophuels-preis.de

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