Bayreuther Festspiele „Wagners Musik & Person sind nicht zu trennen“

Bayreuth · Nächste Woche wird der Intendant der Komischen Oper in Bayreuth „Die Meistersinger von Nürnberg“ inszenieren.

 Barrie Kosky vor dem Bayreuther Festspielhaus: Der Australier führt bei den diesjährigen Festspielen Regie in einer Neuinszenierung von Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“.

Barrie Kosky vor dem Bayreuther Festspielhaus: Der Australier führt bei den diesjährigen Festspielen Regie in einer Neuinszenierung von Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Barrie Kosky (50) bereitet auf dem Grünen Hügel die „Meistersinger“ vor. Am 25. Juli werden damit die Richard-Wagner-Festspiele eröffnet. Der vielleicht einzige nationale Termin im Kalender, auf dem sich in Deutschland in Sachen Kultur einigen kann. Ansonsten gehört der Australier mit jüdischen Wurzeln seit 2012/13 als Intendant der Komischen Oper zur Berliner Opernszene. Er gilt als Könner des leichteren Fachs, hat die Operettentradition seines Hauses wiederbelebt, hat aber auch Wagner-Erfahrungen.

Wenn man Ihre Inszenierungen beobachtet, dann gibt es ja von „Macbeth“ bis zu „Onegin“ sehr unterschiedliche Zugänge. Wie wird das denn bei den „Meistersingern“?

KOSKY „Die Meistersinger von Nürnberg“ haben viele Seiten. Manchmal sind sie eine Komödie, weshalb man natürlich die Komik bedienen muss. Manchmal ist das Stück tief berührend, psychologisch. Dann muss es wieder schräg sein oder auch objektiv und kritisch. Ich bastle mit vielen Elementen. Immer mit einer leichten, gespielten Ironie, was dem Stück, wie ich glaube, gut tut. Ich versuche es so zu machen, dass das Publikum in der ersten Stunde keine Ahnung hat, was am Ende dabei herauskommt. Das ist wichtig: die Überraschung.

Wird das dann so eine Art Zeitreise wie bei Hans Neuenfels?

KOSKY Nein, aber ich spiele mit drei unterschiedlichen Zeiten bzw. Themen: Das erste ist Wagners Versuch, sich einen Garten Eden in Wahnfried zu schaffen. Ein Biotop. Adam und Eva – Wagner und Cosima – getrennt von der Welt. Wagner hat sich sehr mit der Rolle identifiziert. Er hat oft mit „Dein Hans“ unterschreiben. Oder mal zu Cosima gesagt, ich habe die Eva geheiratet. Er ist Walther, ist Sachs. Das zweite ist die Fantasie dessen, was im 19. Jahrhundert Nürnberg bedeutet. Als eine Vision, ein Traum, der so nicht existiert hat – der deutsche Garten Eden sozusagen. In Wagners Nürnberg ist das Wetter immer schön, die Menschen (außer einem) haben eigentlich keine Probleme. Die Stadt wird von Kaufleuten geleitet. Und es gibt nur deutsche Menschen dort. Das war ja alles so nie der Fall, das ist Quatsch. Nürnberg war eine große internationale Handelsstadt.

Die Stadt als Fokus des Nationalen?

KOSKY Es gibt in allen Kulturen, solche Orte oder Städte, die einen utopischen Traum von sich selbst, eine Reflexion der Identität verkörpern. Im Falle von Nürnberg kommen natürlich das Dritte Reich, die Nürnberger Gesetze, die Zerstörung und die Nürnberger Prozesse hinzu: Und schließlich geht es um Gesetze, die Freiung, den Prozess, um Urteile. Das hat Wagner beschäftigt. „Ich bin verklagt“ singt Sachs. Es wird also alle drei Elemente geben. Eine Mischung der Ästhetik: etwas aus Wagners Leben, das 16. Jahrhundert à la Holbein und auch 20. Jahrhundert. Es wird aber keine Zeitreise. Ich mache das viel mehr wie der Talmud als Gespräch.

Und dabei zieht Dirigent Philippe Jordan mit? Wie ist die Zusammenarbeit? Er hat ja Hauserfahrung.

KOSKY Er hat Hauserfahrung und weiß, dass die „Meistersinger“ hier schwer zu dirigieren sind. Dieser Graben unter der Bühne ist für einen kosmischen Klang konzipiert. „Die Meistersinger“ sind aber ein Konversationsstück und die Akustik ist für schnelle Textpassagen nicht ideal. Aber er hat das Stück ja schon in Paris grandios dirigiert, ganz leicht und transparent. Unsere „Meistersinger“ werden eine große Leichtigkeit und Wärme haben und keinen pompösen martialischen Klang.

Wie sieht es mit Ihren Sängern aus?

KOSKY Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich die Inszenierung nicht mache, wenn ich nicht mit Sachs und Beckmesser intensiv an ihren Rollen arbeiten kann. Und wen habe ich? Mit Michael Volle und Johannes Martin Kränzle einen Sachs und einen Beckmesser, die man auf der ganzen Welt nicht besser bekommen kann. Michael hat die Komik, den Charme, die tiefe Melancholie und das große Herz, die ein Sachs braucht. Und Martin ist ohne Frage der beste Beckmesser, den ich mir vorstellen kann. Diese beiden sind das Zentrum meiner Inszenierung.

Wenn Sachs und Beckmesser im Zentrum stehen, gibt es doch sicher einen Auseinandersetzung mit Wagners Antisemitismus?

KOSKY In meinem „Ring des Nibelungen“ in Hannover habe ich Mime als Clown und als orthodoxen Juden gezeigt. Das war eine Parodie. Grundsätzlich bin ich nicht der Meinung vieler meiner Kollegen, dass man die Musik und Wagners Person voneinander trennen kann. Natürlich hat Wagner nicht jüdische Charaktere auf die Bühne gebracht. Es ist naiv und falsch zu sagen, dass Mime und Alberich oder eben Beckmesser nicht Elemente haben, die von Wagners Judenhass beeinflusst sind. Wagner war klug genug, keine Juden auf die Bühne zu bringen. Aber wenn man liest, was er über jüdische Musik, über die jüdische Stimme, über jüdische Sprache geschrieben hat und dann die Regieanweisungen liest, wie Mime oder Alberich singen sollen, dann findet man seinen Antisemitismus dort wieder. Beckmesser hingegen ist eine Frankenstein-Kreation aus allem, was Wagner problematisch fand. Das bedeutet: jüdisch, französisch, italienisch.

Bei Katharina Wagner stand Beckmessers Aufritt ja für die Moderne, die die Leute nicht verstanden haben. Ist er jetzt die Parodie?

KOSKY Ich glaube nicht, dass Beckmessers Musik eine Parodie von Synagogengesang ist – eher die von italienischer Oper. Aber sein Text ist Ausdruck von Wagners Angst vor dem Jiddischen. Seiner Horrorvorstellung davon, was die Juden mit dem Deutschen machen könnten. „Die Meistersinger“ sind ein Stück über Deutschland, über Wagners Idee von deutscher Kultur. Vieles, was Wagner da über deutsche Identität sagt, ist problematisch und gefährlich. Dass er dazu so grandiose Musik komponiert hat, ist eine Herausforderung für jeden Regisseur.

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