Lesung in Saarbrücken Wenn aus Raupen keine Schmetterlinge werden dürfen

Saarbrücken · Rafik Schami trägt am Mittwoch aus seinem neuen Jugendbuch „Sami und der Wunsch nach Freiheit“ in Saarbrücken vor.

 Rafik Schami

Rafik Schami

Foto: dpa/Arno Burgi

Seit 1971 lebt der aus Syrien geflüchtete Rafik Schami (Jahrgang 1946) im deutschen Exil. Der gelernte Chemiker gilt heute als einer der erfolgreichsten Schriftsteller deutscher Sprache. Viele seiner Romane und Schriften – für Erwachsene, Kinder und Jugendliche – wurden ausgezeichnet und sind Bestseller geworden (,,Die dunkle Seite der Liebe“, ,,Eine Hand voller Sterne“).

Nun hat Schami ein neues Buch für junge Menschen ab 14 Jahren geschrieben: „Sami und der Wunsch nach Freiheit“. Am Mittwoch stellt er es im Saarbrücker Schloss vor – frei erzählend und nicht etwa vorlesend, wie es der arabischen Tradition entspricht. Seit langem ist dies das Markenzeichen bei Auftritten Rafik Schamis, der sich selbst als Vermittler zwischen Orient und Okzident sieht.

„Sami“ ist eine Sammlung anrührender, manchmal witziger, aber im Verlaufe des Buches zunehmend trauriger Geschichten vom Leben und Überleben im christlichen Altstadtviertel von Damaskus unter den Bedingungen der Diktatur. Protagonisten sind der mutige, abenteuerlustige Sami und Scharif, sein bester Freund. Er ist es, der die Geschichte der beiden Freunde – von frühen Kindheitstagen über ihr gemeinsames politisches Erwachen bis hin zum Wirken im Untergrund – aus seiner Perspektive schildert. Rafik Schami traf den Flüchtling Scharif 2012 zufällig bei Freunden in der Pfalz. Und so sind die Anekdoten quasi ein Geschenk des jungen begabten, damals 22-jährigen Geschichtenerzählers an den gestandenen Schriftsteller, wie Schami im Prolog erklärt.

„Wir träumen alle davon, Schmetterlinge zu werden, aber man will uns nur als Raupen leben lassen“. Es ist ein Schlüsselsatz des Romans, gesprochen von einem der wenigen inspirierenden Lehrer aus Scharifs und Samis Schulzeit. Er sagt viel über die Motivation dieser jungen Helden aus, die mutig und zuweilen gewitzt nach Freiheit und Würde in einem totalitären System streben.

Harmlos beginnt das Buch mit einer Anekdote über die Geburt Samis. Doch je älter die Jungs werden, desto düsterer die Erlebnisse. Da wird erzählt von den Schikanen in der Schule, der„Gegenwelt zu allem, was frei, glücklich und gelassen sein kann.“ Scharif berichtet von der ständigen Angst vor den Spitzeln des Geheimdienstes, den gebrochenen, gedemütigten Menschen, die aus den Folterkerkern zurückkehren oder einfach verschwinden. Und er erzählt von der Befreiung politischer Gefangener aus einem Lager, die so unglaublich ist wie ein Märchen aus 1001 Nacht. Gespickt sind die Episoden mit liebevollen Details aus dem Alltag in Damaskus.

Und so ist dies kein Buch der Hoffnungslosigkeit, denn die Freunde schaffen sich immer wieder kleine Freiheiten. Auch die Liebe keimt inmitten des Terrors. Schami verzichtet auf Schilderungen brutaler Gewalt, so dass auch junge Leser nicht abgeschreckt oder verstört werden, wohl aber den totalen Kontrollanspruch eines brutalen Regimes, wie es in Syrien seit Jahrzehnten besteht, erfassen. Sami und Scharif gehen schließlich als Internet-Aktivisten in den Untergrund. Während Scharif 2011 die Flucht nach Europa gelingt, geht Samis Spur verloren.

Rafik Schami hat das Buch den „tapferen Kindern von Daraa“ gewidmet, die im Frühjahr 2011 rebellierten, „um den Erwachsenen zu helfen, aufrecht zu gehen.“ In diesem Sinne ist „Sami“ ein anrührendes, authentisches Buch über Mut und Widerstand, das die vielen Tausend geschundenen Syrer in diesen persönlichen, einfühlsamen Geschichten aus der Anonymität holt.

Rafik Schami: Sami und der Wunsch nach Freiheit. Beltz, 325 Seiten, 17,95 Euro.
Lesung morgen, 19 Uhr, im Saarbrücker Schloss. Kartenreservierung in der Buchhandlung Raueiser unter Tel. (06 81) 3 79 180.

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