Podiumsdiskussion über deutsch-französische Beziehungen Wie Macron bis Saarbrücken strahlt

Saarbrücken · Zum „erLesen“-Festivalfinale diskutierte man über die deutsch-französischen Beziehungen.

  Mit Emmanuel Macron hat offenbar eine neue Ära in den deutsch-französischen Beziehungen begonnen: Quasi im Handstreich übernahm Monsieur Le Président die Bauleitung im Hause Europa. Kein Name fiel denn auch gestern öfter bei der dem deutsch-französischen Verhältnis gewidmeten „Talkrunde“ im Saarlandmuseum zum Finale des Literaturfestivals „erLesen“, zu der sich CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, EU-Parlamentarier Jo Leinen (SPD), die Rektorin der deutsch-französischen Hochschule in Saarbrücken, Patricia Oster-Stierle, und Ex-SR-Literaturredakteur Ralph Schock auf dem Podium einfanden (Moderation: Jochen Marmit von SR2).

Leinen betonte, Macrons Europafreundlichkeit sei in Frankreich ein Novum und „eine Chance, die einem nicht oft begegnet“. Während Paris nun im Zeichen Macrons und seiner Pläne für eine Währungs- und Bankenunion auf Solidarität setze, stehe Berlin derzeit eher für Egoismus. Nach Macrons Steilvorlagen ist für Leinen jetzt Merkel am Zug. Als wolle Kramp-Karrenbauer die Macron-Euphorie ein wenig dämpfen, meinte die neue CDU-Generalin, Europa brauche neben französischem Esprit „auch deutsche Ingenieurskunst im Sinne von Staatskunst“. Auch dürfe man nicht ausblenden, dass Macrons EU-Initiativen „auch mit französischen Interessen zu tun“ hätten. Oster-Stierle, die seit Macrons Präsidentschaft wieder ein vitales Interesse am Nachbarland ausmacht, dessen wiedergewonnener Chic hoffentlich auch auf ihre Saarbrücker Hochschule abstrahlen werde, sprang zugleich AKK zur Seite und meinte, Deutschland spreche für alle Länder in Europa, die vielleicht auch „Angst haben vor diesem auferstandenen Napoléon“.

Als SR-Mann Marmit die Achse Berlin-Paris dann regional herunterzubrechen bat, legte Schock dar, dass die Interregionalität auf Autorenseite quasi nicht existiere. Weder in die eine noch in die andere Sprache werde übersetzt. Weshalb Schock einen Übersetzungsfonds anmahnte – was die Runde als Impuls dankbar aufnahm, um am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen. Oster-Stierle erinnerte daran, dass die Übersetzungswissenschaft an der Saarbrücker Uni abgewickelt worden sei (wie auch die Politikwissenschaft, die in Frankreich überragende Bedeutung hat, warf man aus dem sehr überschaubaren Zuhörerkreis ein). Leinen warb für mehr Selbstbewusstsein hierzulande (sprich offensive Anti-Provinzialität); Kramp-Karrenbauer sah das Saarland mit seiner „Frankreichstrategie“ auf gutem Weg, auch wenn diese „noch an Dynamik gewinnen“ müsse und im Alltag oft an sprachliche Grenzen stoße.

Aber auch Unwissen und Borniertheit erweist sich dabei bisweilen als Hindernis: So erzählte Ralph Schock, dass 2011 eine Initiative abgeschmettert wurde, am Saarbrücker Rathaus in Erinnerung an Alfred Döblin („Berlin Alexanderplatz“) eine Plakette anzubringen. Der Stadtrat hielt Döblin, der 1915-17 in Saargemünd als Lazarettarzt wirkte und 1952 in Saarbrücken eine visionäre Rede zur europäischen Zukunft hielt, demnach für nicht bedeutend genug.

Zum Zurücklehnen besteht also kein Anlass. Zumal das Saarland, seit Macron am Ruder ist, im Buhlen um den neuen französischen Glanz „maximal verschärfte Konkurrenz“ von anderen Bundesländern bekommen habe, wie Kramp-Karrenbauer eine ihrer jüngsten Berliner Erkenntnisse umriss. „Als Effekt der Macron-Initiativen sind auch andere deutsch-französisch unterwegs, nicht nur die Saarländer und Pfälzer.“

Markus Gestier/Katrin Mikulcic (Hrsg.): Beziehungsstatus: kompliziert. Dreißig Blicke auf die deutsch-französischen Beziehungen. Conte Verlag, 400 Seiten, 22,90 €.
Das Literaturfestival „erLesen“ ist vorbei, damit bricht nun aber keine lesungsfreie Zeit an.
Am heutigen Welttag des Buches liest in der Saarbrücker Unionstiftung (Steinstr. 10) um 18.30 Uhr der zweimalige Hans-Bernhard-Schiff-Förderpreisträger Sebastian Andreas Rouget aus seinem soeben bei Conte verlegten Erzählband „Drei Stufen im Trockenen“.

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