Comicband um die Väter von „Superman“ Zwei Träumer, über den Tisch gezogen

Saarbrücken · „Superman“ ist der Vater aller Superhelden, Grundstein einer blühenden Comic-, Film- und Nippes-Industrie. Ein neuer Comic-Band erzählt die traurige Geschichte seiner Schöpfer, deren Idee viele Menschen reich machte – sie aber nicht.

 Wenn verliebte Comic-Künstler träumen: eine Seite aus dem famosen Band „Joe Shuster“. Foto: VOLOJ/CAMPI/CARLSEN

Wenn verliebte Comic-Künstler träumen: eine Seite aus dem famosen Band „Joe Shuster“. Foto: VOLOJ/CAMPI/CARLSEN

„Ich will ja nicht unverschämt klingen – aber wieso sind Sie nicht reich?“ Eine berechtigte Frage ist das. Schließlich erfährt der junge Polizist, der gerade einen alten Mann von einer Parkbank aufgelesen und ihm einen Imbiss spendiert hat, dass der Senior mit dem erlöschenden Augenlicht einer der beiden Erfinder von Superman ist: dem Vater aller Superhelden, ohne den die Comic-Kino-Nippes-Industrie um Heroen in bunten Anzügen wohl nicht derart milliardenschwer wäre.

Wie Joe Shuster den fliegenden Übermenschen mit großem „S“ auf der Brust mit erfand und dann zusehen musste, wie andere dadurch reich wurden und er arm blieb, das erzählt der exzellent gestaltete, anrührende Comicband „Joe Shuster – Vater der Superhelden“. Der italienische Zeichner Thomas Campi und der deutsche Texter Julian Voloj erzählen die wahre Geschichte zweier Träumer, die von der harschen Realität aufgerieben werden.

Shuster und Jerry Siegel laufen sich als junge Burschen im Cleveland der 1920er über den Weg. Beide sind Söhne jüdischer Einwanderer, sie haben ein Faible für knallig-triviale Abenteuer- und Science-Fiction-Geschichten, zusammen hören sie am Radio (in der Größe eines Kleinwagens) die Abenteuer von „Tarzan, dem Affenmenschen“. Beide sind kreative Köpfe, Siegel schreibt rund um die Uhr, Shuster zeichnet Nächte durch. Erste, miserabel bezahlte Comic-Geschichten können sie lancieren und basteln an einer Bildgeschichte namens „Superman“. 1938, viele Jahre später, können sie ihre Idee von einem Mann aus dem All, der auf der Erde Superkräfte entwickelt, an einen Verlag verkaufen. Der druckt „Superman“ in seiner Reihe „Action Comics“ – deren Auflage steigt sofort rasant, und die Herausgeber reichen die Geschichten an landesweite Zeitungssyndikate weiter. Es geht um viel Geld – doch von dem kommt bei Shuster und Siegel fast nichts an. Denn als Geschäftsneulinge habe sie ihre Kreation an den Verlag abgetreten: „Ihr habt ihn erfunden – aber er gehört uns.“

Damit ist für das Duo ziemlich alles gesagt. Jahre der Bitterkeit folgen, die beiden strengen einen vergeblichen und für sie ruinösen Gerichtsstreit an. Shuster und Siegel sind letztlich Vergessene – bis Siegel 1975 einen Offenen Brief schreibt, in dem er den geplanten „Superman“-Kinofilm verflucht: Weil er und sein Kompagnon von der Millionenproduktion, die auf ihrer Figur beruht, keinen Cent erhalten. Die Comic-Szene empört sich, das Filmstudio fürchtet schlechte Publicity, man einigt sich – und so erhält das Duo doch noch einmal etwas Geld und die ihm lange versagte Anerkennung.

Es ist das bittersüße Ende eines melancholischen Bandes, der nicht nur von zwei über den Tisch gezogenen Künstlern erzählt, sondern insgesamt von der Entwicklung der Comic-Industrie. Thomas Campi kleidet die von Voloj minutiös recherchierte Geschichte in nostalgische Pastellfarben, weich ist der Strich (nur bei der Rahmenhandlung mit dem alten Shuster auf der Parkbank ist sie härter). So zart und zartbunt wünschten sich die beiden Träumer Shuster (er starb 1996) und Siegel (er starb 1992) wohl die Welt. Doch sie war und ist eben anders.

Julian Voloj und Thomas Campi:
Joe Shuster – Vater der Superhelden. Carlsen Verlag, 165 Seiten, 19,99 Euro.

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