40 Jahre Kinder- und Jugendtheater Überzwerg Die Überzwerge sind groß geworden

Saarbrücken · Das Kinder- und Jugendtheater Überzwerg in Saarbrücken feiert seinen 40. Geburtstag: mit einem dreitägigen Fest im September und neuen zeitkritischen Stücken.

 Grau, aber immer noch üwwerzwerch: Bob Ziegenbalg, Detlef Kraemer und Christoph Dewes (v.l.).

Grau, aber immer noch üwwerzwerch: Bob Ziegenbalg, Detlef Kraemer und Christoph Dewes (v.l.).

Einladend sieht es aus, das Überzwerg-Theater in St. Arnual. Der großzügige Hof mit dem schönen Baum, die leuchtend gelben Türen, der mit Erich-Kästner-Zitaten verzierte Fries, der um das U-förmige einstöckige Gebäude läuft, in dem die Spielstätte mit Platz für 90 Zuschauer und eine Probebühne mit 60 Plätzen untergebracht sind – neben weiteren Funktionsräumen und einem lichtdurchfluteten Foyer. Doch bis in die für ein Kinder- und Jugendtheater vergleichsweise sehr komfortablen Räume am Erich-Kästner-Platz 1 in St. Arnual war es ein langer Weg.

Das Theater ist sozusagen Profiteur der Finanzkrise von 2008, denn dessen Um- und Ausbau (Kosten: rund eine Million Euro) wurde im Zuge des ersten Konjunkturpaketes des Landes finanziert. „Es musste also erst kein Geld mehr da sein, damit es Geld für uns gab“, scherzt Christoph Dewes.

Gut investiert ist es hier auf jeden Fall. 16 000 Zuschauer kamen in der Spielzeit 2017/18. Zwar waren das gut 3000 weniger als in der Saison zuvor, aber man habe auch weniger Aufführungen und viele Ausfälle wegen Krankheit gehabt, erklärt dies Geschäftsführer Detlef Kraemer.

Überzwerg als eine der überregional bedeutendsten Kinder- und Jugendbühnen etabliert zu haben, darauf dürfen dessen „Macher“ zu Recht stolz sein. Heute sind das der künstlerische Leiter und Schauspieler Bob Ziegenbalg (seit 1987), Schauspieler und Geschäftsführer Detlef Kraemer (dabei seit 1984) und Christoph Dewes als Dramaturg (seit 1995). Aber natürlich auch das sechsköpfige feste Schauspiel­ensemble (Anna Bernstein, Gerrit Bernstein, Nicolas Bertholet, Eva Coenen, Sabine Merziger, Reinhold Rolser) und weitere 17 Mitarbeiter (darunter einige Teilzeitstellen). Gefeiert wird vom 7. bis 9. September mit einem großen Hoffest (siehe Info-Kasten).

Von den Gründern des „Freien Kinder- und Jugendtheaters Saarbrücken“, dem Vorläufer des Überzwerg, ist niemand mehr aktiv dabei, wohl aber als Schauspieler überregional bekannt, wie der verstorbene Jochen Senf und Alice Hoffmann. Mit Ingrid Braun, Ingrid Hessedenz und Peter Tiefenbrunner fanden sie sich im Oktober 1978 zusammen, um das Jugendtheater zu gründen. Man spielte in der ersten Zeit unter anderem im „Theater im Stiefel“ am St. Johanner Markt, dem heutigen Brauerei-Restaurant, das man sich mit dem Kulturamt der Landeshauptstadt und dem dort probenden Staatstheater teilte. Seit 1989 wird in St. Arnual gespielt.

Neben vier Premieren geben die Überzwerge im Jubiläumsjahr zehn Stücke aus den vergangenen Jahren. Zum letzten Mal nach 15 Jahren allerdings „Ox und Esel“ am 21. Dezember, dem Kult-Stück zur Weihnachtszeit mit Bob Ziegenbalg (Ox) und Detlef Kraemer (Esel). Neu ist „In meinem Hals steckt eine Weltkugel“ von Gerhard Meister (ab Klassenstufe 9) – laut Ziegenbalg „ein böser, satirischer Text“, der in die Zeit passe. Es geht darin um das krasse Gefälle zwischen Arm und Reich und die Folgen unseres westlichen Konsumverhaltens. Das Publikum wird sich auseinander setzen müssen mit Kinderarbeit und Coltan im Handy, mit hungernden afrikanischen Migranten und dem oft komischen Spagat zwischen Verdrängung und Helfersyndrom. Ebenfalls für Jugendliche ist „Der Feminist“, ein Programm mit Musik über Feminismus, Gleichberechtigung und Emanzipation. „Feminismus kommt in der Schule viel zu wenig vor. Junge Leute wissen zu wenig darüber, was sich ihre Mütter erstritten haben“, sagt Ziegenbalg, der den Abend mit Uli Schreiber konzipiert – ausschließlich aus männlicher Perspektive mit vier Schauspielern.

Für die Jüngeren (ab 9) steht „Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften“ nach dem Roman von Irmgard Keun auf dem Programm. Es ist eine Art deutsche Pippi-Langstrumpf-Geschichte. Für Kinder ab sechs Jahren zeigt das Überzwerg in Koproduktion mit der Compagnie Toit Végétale (Berlin) und dem Schauspiel Essen „Stromer“. Es ist die Bühnenfassung des Bilderbuches „Bonhomme“ der belgischen Zeichnerin Claude K. Dubois und ihrer Tochter Sarah V. Dubois und erzählt anrührend und poetisch von einem Obdachlosen.

Die Überzwerge haben Grund zu feiern. Doch sie bedauern, dass die Nachfrage nach Gastspielen zum Beispiel – außer beim Theaterfestival Spielstark in Ottweiler – nachgelassen hat, auch wenn die Klassenzimmer-Stücke erfolgreich sind. Dafür sei der Andrang bei den Theaterclubs für Kinder und Jugendliche ungebrochen groß. Als Teil des Theaterpädagogischen Zentrums Saar (TPZ) beraten die Überzwerge zudem Schulen und bieten einige Workshops für Lehrer an (Szenisches Lernen, Darstellendes Spiel). Im vergangenen Jahr zählte man 9304 Teilnehmer, 1131 mehr als im Jahr davor.

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