Neuer Allmen-Krimi von Martin Suter Weißes Gold und erregende Gedanken

Saarbrücken · Martin Suters Allmen-Krimis waren bislang stets wunderbar unaufgeregt. Jetzt aber verstrickt sich der Gelegenheitsdetektiv in der Erotik.

 Beststeller-Autor Martin Suter

Beststeller-Autor Martin Suter

Foto: dpa/Arno Burgi

Es soll ja Menschen geben, die Bücher von Martin Suter schon deshalb mit spitzen Fingern anfassen, weil sich der Schweizer Routinier ensuite weit oben in die Bestsellerlisten einschreibt. Das dann zwar mit unbestreitbar Geistreichem, aber eben auch ziemlich unbeschwert Konsumierbaren. So viel  Leichtigkeit kann schockieren. Andere hingegen schätzen den mittlerweile 70-Jährigen eben deshalb, weil er so schnörkellos funktional seine Worte findet. Doch warum auch nicht? Auch ein Stahlrohrmöbel von Mart Stam gewinnt seine Schönheit ja gerade durch die Reduktion aufs Wesentliche.

Jetzt hat Suter seine charmante Reihe um den notorisch klammen Privatier und Gelegenheitsdetektiv Johann Friedrich von Allmen um Band fünf ergänzt: „Allmen und die Erotik“. Krimis mag man diese zarten Bändchen (nie mehr als 300 Seiten) kaum nennen, so aus der Zeit gefallen plätschern sie dahin, diese kapriziösen Hochstapeleien, diese Sittenskizzen der vermeintlich besseren Zürcher Kreise. Zwei von denen wurden bereits mit Heino Ferch als Allmen und Sebastian Finzi als dessen Diener Carlos verfilmt. Meist sind solche TV-Adaptionen ja der Moment der Ernüchterung, wenn die Romanworte durch allzu schlichte Fernsehbilder abgetötet werden. Hier aber glückte es mal, schon weil keiner sonst im deutschen Fernsehen ein Toupet so selbstironisch tragen kann wie Heino Ferch.

Allmen-Romane nun sind wie Entschleunigungs-Wellness-Wochenenden. Weder bomben sich klischee-bärtige Islamisten durch Mega-Cities, noch dräut eine weltumspannende Online-Verschwörung. Von Allmen spürt mit seinem Diener und Kompagnon Carlos höchstens mal gestohlenen Bildern oder Vasen nach. Bloß nicht zu viel Aufregung! „Übertriebener Aktionismus hat die Weltgeschichte noch nie vorangebracht“, lautet seine Devise. Und dass er überhaupt was tut, liegt allein daran, weil er das Über-die-Verhältnisse-Leben zum Daseinszweck kultiviert hat. Seine Bankkonten sind so fern des Haben, wie sein Adelsprädikat echt ist. Immerhin hat Allmen, im Grunde nur ein Bauernsohn (der Hof seines alten Herrn muss wohl etwas größer gewesen sein), eine englische Privatschule besucht. So lernte er Snobismus an erster Adresse. Nun kann er zwar nichts richtig, aber er weiß, wie man den Tag und auch die Nacht zelebriert. Vom noch im Bett servierten Early-Morning-Tea bis zur Puccini-Oper des Abends mit folgendem Absacker in der „Golden Bar“, nomen est omen.

Mittlerweile ist Allmen aber wieder mal so klamm, dass er sein schleppend betriebenes Geschäft der Kunstwiederbeschaffung proaktiv ankurbelt. Der literarischen Gesellschaft Sternwald stibitzt er ein Mini-Fabergé-Ei. Nur, um es hernach – gegen ein üppiges Salär – wieder aufzuspüren. So der Plan. Leider wird der langfingerige Kunstfreund dabei beobachtet und gefilmt. Vom Inhaber einer Sicherheitsfirma namens Krähenbühler, der Allmens Geschäftsidee – erst klauen, dann wiederbeschaffen – weiter professionalisieren möchte. Nun müssen der Lebemann und sein Diener Carlos im großen Maßstab einbrechen. Mit delikatem Porzellan geht’s los, so sündiges wie sündteures Rokoko aus Meißen, bei dem unverhüllt bleibt, was etwa die schöne Schäferin unterm Rock trägt. Heißes weißes Gold, das in einem Zürcher Lagerhaus deponiert ist.

Genau das Richtige eigentlich für den homme à femmes Allmen. Zumal sich herausstellt, dass die Erbin all jener Delikatessen die junge Jasmin ist. Bei Ordensschwestern wuchs die Schöne auf, tugendsam, dem Weltlichen abgewandt, scheinbar. Allmen, von heißem Nippes quasi daueraphrodiasiert, wittert köstlichste Erotik. Doch die Unschuld lässt ihn zappeln. Und man leidet fast schon mit – ob dieses ständigen Triebverzichts, den Suter seinem Helden zumutet. Mit köstlicher Ironie, fein arrangierten Details und unverkennbarer Lust an der Hochstapelei lenkt Suter das Herr-und-Dienergespann: immer stilvoll und erquickend wie eine Tasse Pi Lu Chun-Tee; oder was auch immer Johann Friedrich von Allmen gerade bevorzugt.

Martin Suter: „Allmen und die Erotik“, Diogenes, 268 Seiten, 20 Euro.

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