Ausstellung auf dem Campus: Der besondere Weg der Saarliteratur

Saarbrücken · Wie eigenständig hat sich die saarländische Literatur nach 1945 entwickelt? Dieser Frage widmet sich die reichhaltige Saarbrücker Ausstellung „Die literarische Nachkriegsmoderne im Saarland“.

  Sichtlich hartes Ringen um die richtigen Worte: ein Blick auf die Arbeit von Ludwig Harig.

Sichtlich hartes Ringen um die richtigen Worte: ein Blick auf die Arbeit von Ludwig Harig.

Foto: Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass

Müsste das Saarland in einem Buch über die deutsche Literaturgeschichte der Nachkriegszeit etwa ein eigenes Kapitel erhalten? Die etwas andere politische Entwicklung nach 1945, mit französischer Besatzung, Saarstaat und verspätetem Anschluss an die Bundesrepublik, habe sich auch auf die saarländische Literatur ausgewirkt. Sie sei zwar mit den literarischen Strömungen der Bundesrepublik verbunden gewesen, habe jedoch eine „in spezifischen Zügen eigenständige Entwicklung“ vollzogen – so die These von Hermann Gätje vom Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass.

Ob es stimmt, kann man sich jetzt ansehen. Unter dem Titel „Die literarische Nachkriegsmoderne im Saarland“ präsentiert das Archiv jetzt in der Saarländischen Universitätsbibliothek eine Ausstellung, die die saarländischen Ausprägungen der Literatur von den späten 1940er bis zu den frühen 1960er Jahren anhand ihrer Autoren im Überblick vorstellen will. Dank des Zeitzeugen Roland Stigulinszky, Jahrgang 1929, erhielten die Besucher der Eröffnung am Donnerstagabend vorab einen Einblick in die Zeit der Regierung von Johannes Hofmann aus erster Hand. Der Zeichner und Autor, der an der 1948 bis 1953 erschienenen Satire-Zeitschrift „Der Tintenfisch“ mitgearbeitet hatte, ließ an dieser Zeit der Utopien kaum ein gutes Haar. „Die Summe von Ausweisungen, Zeitungsverboten, Zensurmaßnahmen, Versammlungsverboten und Parteienverboten ergab einen Negativsaldo“, resümierte Stigulinsky und zitierte die konservative französische Zeitung „Le Figaro“ als Beleg. „Mit Mitteln der Despotie macht man keine Politik der Freiheit.“

Ob Ludwig Harig das auch so gesehen hätte? Er ist nicht nur bis heute einer der berühmtesten Autoren aus dem Saarland geblieben, er war auch nach dem Krieg wohl am meisten auf der Höhe der Zeit. Zu Recht widmet sich die Ausstellung, die in zwölf thematischen Vitrinen neben Überblickstexten Autorenhandschriften, Briefe und Bücher vorstellt, Harig unter dem Titel „Stil­übungen der Moderne“ zuerst. Sie verweist auf seine literarischen Experimente, auf seine Hinwendung zur konkreten Poesie, seine Verbindung zur Stuttgarter Schule und der Mathematik und nimmt auch seinen Freund und Übersetzer aus dem Französischen mit auf, Eugen Helmlé.

Dagegen stehen Johannes Kirschweg mit beredten Romantiteln wie „Der Schäferkarren ( 1948)“ und erst Recht die mit Katholizismus imprägnierte Maria Croon für eine traditionalistische Literatur, die jedoch versuchten, das von den Nazis belastete Verständnis von Heimat neu zu fassen. Wobei sich Kirschweg auch besonders bemühte, so der Titel von Vitrine drei, „Brücken nach Frankreich“ zu bauen. Sein kaum noch bekannter Zeitgenosse, der Lyriker Werner Meiser (1923-1963) war, heißt es hier, besonders durch die französische literarische Moderne geprägt, übersetzte Baudelaire und Verlaine und zog ganz nach Paris.

Auf heute weitgehend vergessene Autoren aufmerksam zu machen, gehört dabei wohl zu dem größten Verdienst der Ausstellung. Unter dem Thema von Saar-Autoren, für die das Exil (in der Nazi-Zeit) prägend wurde, passt neben den prominenten Gustav Regler und Hans Bernhard Schiff der Saarbrücker Lyriker Karl-Heinz Bolay (1914-1993) nur bedingt. Er siedelte erst 1951 nach Finnland über und dann nach Schweden. Allerdings dürfte er, der aus der Ferne im Saarliteratur-Betrieb präsent blieb, der Einzige sein, der in deutsch, finnisch und schwedisch publizierte. Erstaunen lässt auch, dass der Streit ums „Ja – Nein“ zum Saarstatut offenbar kaum in der Literatur gespiegelt wurde; nur zwei Autoren, fürs Pro Werner Reinert (1922-1987) und fürs Nein Alfred Petto (1902-1962), tauchen hier auf.

Neben Petto, von Hause aus Rechtspfleger und einer der aktivsten Autoren der Nachkriegszeit, der sich in seinen Romanen wie die Journalistin Petra Michaely (1925-2000) in ihren literarischen Reportagen sozialer Fragen annahm, steht hier auch Lyrik-Schwergewicht Johannes Kühn in dieser Schau für „Die neue Zeit“. So ganz lassen sich die Subsummierungen und Themen der Ausstellung nicht immer nachvollziehen. Doch lohnt der Blick auf das Nachkriegspanorama in der schön gestalteten Ausstellung, die an den Wänden gut lesbare Auszüge aus den Werken Autoren zeigt. Auch der Schriftstellerverband und der Hörfunk als wesentlicher Teil des literarischen Betriebs werden nicht vergessen.

„Die literarische Nachkriegsmoderne im Saarland“ läuft bis zum 25. Mai im Foyer der Unviersitätsbibliothek. Mo bis Fr 9 bis 21 Uhr, Sa 10 bis 15 Uhr.
www.literaturarchiv.uni-saarland.de

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