Kunstpreis des Saarlandes Ein wunderbarer Fantast

Saarbrücken/Kiel · Der Schriftsteller Christopher Ecker bekommt den Kunstpreis des Saarlandes.

 Christopher Ecker in seiner Wahlheimat Kiel.

Christopher Ecker in seiner Wahlheimat Kiel.

Foto: Arne Rautenberg

Doch, man darf sich kurz mal – angetan aufs Angenehmste – die Augen reiben, dass die Jury den Kunstpreis des Saarlandes nun Christopher Ecker zuerkannte. Immerhin mit 7500 Euro dotiert. Überdies das Erlesenste, was das Land auf diesem Feld zu vergeben hat. Gewiss, die Poeten-Schar mit auch nur irgendwie saarländischem Konnex bemisst sich klein, und das relevante Konzentrat daraus reichte wohl nicht mal, um nach deutschem Vereinsrecht einen Club der Dichter zu gründen.

Trotzdem kommt Eckers Kür vergleichsweise überraschend. Von Auflagenerfolgen kann der gebürtige Saarbrücker, der seit rund zwei Jahrzehnten in Kiel lebt, bisher schwerlich reden. Schert er sich ja auch nicht um Marktgängiges. Mit fast manischer Hartnäckigkeit widmet er sich einem literarischen Segment, das hierzulande zu den missverstandenen zählt. Fantastik setzen viele mit Fantasy-Dutzendware gleich, die die vorderen Tische der Buchhandlungen verstopft. Fantastik als hohe Dichtkunst aber, als Gedankenflug voller Volten ins Absurde, findet hierzulande kaum Anklang.

Christopher Ecker ist eben ein Meister darin. Exemplarisch steht dafür sein 2012 erschienener und mit dem Hebbel-Preis ausgezeichneter Roman „Fahlmann“. Beinahe ein Jahrzehnt Arbeit stecken in dem 1000-Seiten-Monolith, der seinem Verlag (der Mitteldeutsche in Halle) Gewaltiges abnötigte und vom Leser noch mehr verlangt. Will man dem Bestatter und Gelegenheitsautor Georg Fahlmann folgen, der sich zunehmend in seinem Schreiben über den Käferforscher Bahlow und einer Expedition in Deutsch-Ostafrika verliert. Immer mehr drängt die Frage, wer führt hier eigentlich die Feder? Fahlmann? Bahlow? Nichts ist gewiss, alles taumelt. Denis Scheck, der sich gern als Reißwolf unter den Literaturkritikern gebärdet, befand, das Opus Magnum sei eines der „größten Leseabenteuer der deutschen Gegenwartsliteratur“. Auch weil das Fantastische mit Philosophie aufgeladen und solcher Fabulierlust erzählt werde.

Diese Kompositionsprinzipien, die das Realistische gleichsam auflösen, kennzeichnen auch Eckers Roman „Die letzte Kränkung“ (2014), der in ein verwunschenes bretonisches Fischerdorf führt. Mit diesem Buch wirkt Ecker aber auch einmal mehr wie aus der Zeit gefallen, wie ein Erzähler des 19., vielleicht noch frühen 20. Jahrhunderts, so mäandernd seine Wortlust, so reich seine Prosa, die Raum und Zeit verwirbelt. Die sich aber, wie zuletzt, in „Der Bahnhof von Plön“ (2016), auch übersteigern kann und ein morbides Panoptikum aufzeigt, mit einem Mann, der in einem schäbigen New Yorker Hotel Leichenberge umschichtet. Ecker leuchtet da noch in die letzten Winkel einer monströsen Fantasie.

Das Schreiben ist dem in Dudweiler geborenen und in Neuweiler aufgewachsenen Autor seit Schülertagen Lebensnotwendigkeit. Germanistik und Philsophie studierte er in Saarbrücken, hatte lose auch Kontakt zu Arnfrid Astels Schreibseminar, war aber stets selbstbewusst genug, dies bloß als Anregung zu begreifen, nicht Zögling sein zu wollen. Über Jahre versuchte Ecker vom Schreiben auch zu leben. Es fehlte nicht an Preisen – den Regler-Förderpreis des SR gab’s 2005, den Hans-Bernhard-Schiff-Preis 2012 – und an Kritikerlob, doch nährte all das nicht. Christopher Ecker zog die Konsequenz, verdient mittlerweile sein Brot als Gymnasiallehrer für Deutsch und Philosophie in Kiel. Schreibt aber nach wie vor unverdrossen. Kürzlich erst hat er einen Lyrikband mit Werken des 2008 verstorbenen US-Autors Thomas M. Disch herausgebracht, „Letzte Gedichte“, für die er Dischs desillusionierte aber auch so großartigen Zeilen ins Deutsche übertrug. Einmal mehr ein Buch, das sich garantiert dem Auflagenerfolg verweigert, aber eben auch eine Trouvaille. Schön, dass das Saarland Christopher Ecker jetzt Anerkennung zollt.

Verleihung des Kunstpreises des Saarlandes am 28. Oktober in der Modernen Galerie, Saarbrücken.

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