Benachteiligung von Frauen „Der Klaus, der macht das schon“

Saarbrücken · Ob vor oder hinter der Kamera: Bei Film und TV werden Frauen konsequent benachteiligt. Davon hat die Regisseurin Cornelia Grünberg im Saarbrücker Kino Achteinhalb berichtet.

 Die Filmemacherin Cornelia Grünberg.

Die Filmemacherin Cornelia Grünberg.

Foto: Ramona Zühlke/Photographer: Ramona Zuehlke

Das Filmgeschäft ist bekanntlich hart – besonders hart ist es für Frauen. Als die Berliner Filmemacherin Cornelia Grünberg, die seit 25 Jahren als Spiel- und Dokumentarfilmregisseurin fürs Fernsehen arbeitet, 2003 mit einem neuen Spielfilmprojekt, basierend auf einem Roman, beim SWR anklopfte, lehnte der zuständige Redakteur ab mit der Begründung: „Wer interessiert sich schon für so ein perverses Thema, was für ein Quatsch!“. Das „perverse Thema“ waren 14-jährige Mädchen, die ungewollt schwanger wurden und sich entschieden, das Kind anzunehmen.

Für Grünberg ist diese Ablehnung kein Zufall, sondern hat Methode. „Lediglich zehn Prozent der Filmförderung gehen in Deutschland an Projekte in weiblicher Regie“, erzählt sie am Dienstag bei einem Vortrag auf Einladung des Saarländischen Filmbüros in Saarbrücken. Wenn Projekte von Regisseurinnen häufiger abgelehnt werden, werden damit auch Geschichten abgelehnt, die die Welt aus weiblicher Sicht erzählen, gibt sie zu bedenken. 2014 haben einige Regisseurinnen den Verein „Pro Quote Regie“ gegründet, Grünberg ist seit 2016 dabei. Der Verein, inzwischen in „Pro Quote Film“ umbenannt, will zum einen die konsequente Benachteiligung von Frauen in allen Berufen der Filmbranche aufdecken und zum anderen für Strategien kämpfen, das zu ändern. Nämlich durch Quotierung. Wie wenig Frauen vor und hinter der Kamera tatsächlich zum Zuge kommen, belegen Studien, deren Ergebnisse Grünberg in Form von Grafiken präsentiert.

Was all diese Torten- und Säulendiagramme offenbaren, mag man kaum glauben: Nach einer Studie der Deutschen Filmförderanstalt FFA, die 1100 uraufgeführte programmfüllende Spiel- und Dokumentarfilme der Jahre 2011 bis 2016 auswertete, sind alle kreativen Schlüsselpositionen, außer Kostüm, überwiegend in Männerhand. Eine Frau oder ein Frauenteam sind nur in 23 Prozent der Filme für das Drehbuch verantwortlich, nur in 21 Prozent für die Regie, nur in zehn Prozent für die Kamera, nur in vier Prozent für den Ton.

Analysen zur Regievergabe im deutschen Kinospielfilm sowie für Spielfilme von fünf deutschen Fernsehsendern ergeben ein ähnlich erschreckendes Bild. ARD und ZDF setzen zu über 80 Prozent auf Regisseure. Nur bei 12 Prozent der „Tatort“-­Krimis durfte 2017 eine Frau inszenieren und nur bei jedem fünften Spielfilm fürs Kino. Auch vor der Kamera sieht es nicht besser aus: Wenn Frauen in TV-Sendungen, egal welchen Genres, vorkommen, dann meist nur wenn sie jung sind. Ab dem 30. Lebensjahr verschwinden sie zunehmend. Ab 60 liegt das Verhältnis bei 1: 4 für die Männer, bei Informationssendungen sogar alters­unabhängig bei 1:8.

An Nachwuchsmangel liegt es nicht. Seit den 1990er Jahren, zeigt Grünberg, sind 45 Prozent der Filmstudierenden Frauen, doch nur 20 Prozent von ihnen können hinterher ihren Beruf auch ausüben. In allen Studienfächern zeigt sich ein krasses Missverhältnis, am krassesten bei der Montage: 82 Prozent der in diesem Metier Ausgebildeten sind Frauen, doch nur 33 Prozent der in dem Beruf Arbeitenden sind weiblich. Bei den Männern ist es umgekehrt, was laut Grünberg demnach bedeutet: „Es arbeiten deutlich mehr unausgebildete Männer in der Montage als ausgebildete Frauen.“ Auch die Ursachen für diese Missverhältnisse hat die FFA-Studie untersucht. Danach werden „erfolgsrelevante Attribute“ wie Führungsstärke, Stressresistenz, Technikaffinität und kreatives Talent eher Männern zugeschrieben, unabhängig davon, ob sie diese besitzen. Und weil eine Filmproduktion als „Risikogeschäft“ gilt, greife die Filmindustrie bevorzugt auf „bewährte Formate und Personen“ zurück. So heiße es dann meist: „Der Klaus, der macht das schon“, weiß Grünberg aus eigener Erfahrung.

Was tun? Die Schweden haben als Erste etwas unternommen. 2003 haben sie eine „50/50-Strategie“ eingeführt. Erst wenn ein Film in Regie, Produktion, Drehbuch zu 50 Prozent weiblich besetzt ist, bekomme er Filmförderung, berichtet Grünberg. „Eurimages“, die Filmförderung des Europarates, Norwegen, Kanada, Australien hätten das Modell aufgegriffen. In Frankreich solle es bald 15 Prozent mehr Förderung geben für geschlechtergerecht besetzte Filme. Auch in Großbritannien tat sich etwas. In Deutschland seien seit der Filmfördernovelle 2017 zumindest die Filmfördergremien auf Bundesebene paritätisch besetzt. Unter den deutschen TV-Sendern wolle der MDR innerhalb von drei Jahren eine 40-Prozent-Quote einführen.

Grünberg hat es dann doch noch anderweitig geschafft, ihr Projekt finanziert zu bekommen, als Dokumentarfilm. Als „Vierzehn – erwachsen in neun Monaten“ 2012 fertig war, erhielt sie damit eine Einladung zur Berlinale. Derzeit arbeitet sie am dritten Teil ihrer Langzeitstudie, der die Mütter bis zu ihrem 28. Lebensjahr und ihre Kinder bis zum 14. Lebensjahr begleiteten soll.

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