Rockmusik Eine Messe für Johnny

Paris · Der französische Sänger Johnny Hallyday ist ein Phänomen. Sein Mythos ist auch über ein Jahr nach seinem Tod ungebrochen.

 Von Exzessen gezeichnet: Johnny Hallyday, hier ein Foto vom Januar 2016. Der Sänger starb im vergangenen Jahr an Lungenkrebs. Nach wie vor wird er von den Franzosen verehrt.

Von Exzessen gezeichnet: Johnny Hallyday, hier ein Foto vom Januar 2016. Der Sänger starb im vergangenen Jahr an Lungenkrebs. Nach wie vor wird er von den Franzosen verehrt.

Foto: dpa/Ian Langsdon

Wer Johnny Hallyday sucht, muss in die Kirche gehen. In dem vom lauten Verkehr umfluteten Gotteshaus mit dem schönen Namen La Madelaine im 8. Arrondissement von Paris, sitzen seine Anhänger in den Bänken. Am 9. Tag jedes Monats versammeln sie sich zu einer Messe. Am 9. Dezember 2017 haben sie dort in einer zentralen Andacht Abschied von ihrem Idol genommen. Johnny – alle Franzosen nennen den Sänger  nur beim Vornamen – würde dieses allmonatliche Spektakel im Haus Gottes ihm zu Ehren gefallen, er, der in den 70er Jahren fast vom Vatikan wegen seiner Texte voller Sex, Drogen und Blasphemie exkommuniziert worden wäre.

Wer diese unglaubliche Verehrung der Franzosen für Johnny Hallyday ergründen will, der muss die Suche also am Ende von dessen Leben beginnen. Man muss sich den Trauerzug für den gestorbenen Rockhelden vorstellen. Eine Million Menschen säumten den Weg des blütenweißen Sarges vom Triumphbogen über die Champs-Élysées bis zur Kirche La Madeleine. Präsident Emmanuel Macron persönlich hatte die Zeremonie angeordnet, eine Ehre, die nur den Allergrößten des Landes zuteil wird.

Aber es war sein sehr schwieriges Verhältnis zwischen Johnny und seinen Landsleuten. Dazu gehörten sehr tiefe Tiefen. Der Star hat seinen Fans einiges abverlangt. Auf der anderen Seite aber gibt es auch diese abgöttische Verehrung für einen Sänger. Dieser Mann hat das Lebensgefühl vieler Franzosen wie kein anderer in seinen Liedern eingefangen und wirkte bei seinen Auftritten wie ein wildes Tier, das versucht, sich aus der Gefangenschaft zu befreien. „Johnny hat in seinen Liedern von meinem Leben erzählt“, sagt eine schon etwas ergraute Frau nach der Messe in La Madeleine. „Er hat immer gekämpft, er war voller Zweifel, und er hat oft verloren – aber er ist immer er selbst geblieben.“ Ihr Begleiter nickt. Beide tragen ein Hallyday-T-Shirt unter ihren Lederjacken, Sonnenbrillen und sind reichlich tätowiert. „Wenn wir hier in der Kirche sind, habe ich das Gefühl, dass Johnny noch immer bei uns ist.“

Seine Fans haben ihrem Idol im Laufe der Jahrzehnte vieles verziehen. Auch dass er wegen der hohen Steuern in Frankreich einst fast die belgische Staatsangehörigkeit angenommen hätte, aus demselben Grund in die Schweiz gezogen ist und dann in die USA. Der kleine Junge, der aus einer armen Künstlerfamilie stammte und von seinen Eltern verlassen worden war, hatte es mit seinem Talent zum Millionär gebracht. Hallyday hat das Geld verprasst, war bankrott, hat wieder Millionen gemacht.

Mehr als 1000 Lieder hat er aufgenommen, 85 Millionen Platten verkauft, Dutzende von Goldenen Schallplatten bekommen. Ein Open-Air-Konzert 1963 auf der Place de la Nation in Paris mit fast 200 000 Menschen mündete in Straßenschlachten, Johnny Hallyday wirkte mit seinem Auftritt wie der Zündfunke, der die Unzufriedenheit der Leute damals zur Explosion brachte. Zu seinem größten Konzert im Jahr 2000 unter dem Eifelturm kamen über 600 000 Menschen. Im Auftrag des Staats sang er am ersten Jahrestag des Attentats auf „Charlie Hebdo“ in Paris auf der Place de la République.

Fünf Mal war der Sänger verheiratet und am Ende sichtlich gezeichnet von allerlei Exzessen. Aber dass dieser Mensch nach einer schweren Erkrankung an Lungenkrebs sterben könnte, daran hat irgendwie keiner geglaubt. Für Skandale sorgen nun allerdings seine Nachfahren. Seit dem Tod des Stars tobt ein öffentlicher Kampf um die Millionen, die er hinterlassen hat. Johnny Hallyday hatte seine letzte Frau Laeticia als Alleinerbin eingesetzt. Seine Tochter Laura habe zu ihrem großen Schmerz feststellen müssen, dass ihr Vater ihr nichts hinterlassen habe: kein Vermögen,nicht einmal eine Erinnerung an ihn wie etwa die signierte Plattenhülle seines Lieds „Laura”, erklärten ihre Anwälte.

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