Wolodymyr Selenskyj gewinnt Präsidentenwahl Klarer Sieg für Präsidenten-Darsteller

Kiew · Im ukrainischen Fernsehen hat Wolodymyr Selenskyj jahrelang den Staatschef nur gespielt. Aus dem Spaß wird nun Ernst.

 Wolodymyr Selenskyj jubelt seinen Unterstützern zu. Der Komiker und Fernseh-Star hat sich bei der Präsidentenwahl in der Ukraine mit 73 Prozent der Stimmen gegen Amtsinhaber Petro Potoschenko durchgesetzt.

Wolodymyr Selenskyj jubelt seinen Unterstützern zu. Der Komiker und Fernseh-Star hat sich bei der Präsidentenwahl in der Ukraine mit 73 Prozent der Stimmen gegen Amtsinhaber Petro Potoschenko durchgesetzt.

Foto: dpa/Sergei Grits

In der Rolle eines Geschichtslehrers, der überraschend Präsident wird, hat es der Komiker Wolodymyr Selenskyj in der Ukraine zu Ruhm gebracht. Diener des Volkes (Sluha Narodu) heißt die extrem populäre Serie mit Schmonzetten über das Präsidentenamt.

Mit dem besten Ergebnis bei einer Präsidentenwahl in der Ukraine übernimmt Selenskyj nun tatsächlich die Macht in dem krisengeschüttelten Land. „Wir werden neue Leute ernennen“, sagte der prowestliche 41-Jährige nach seinem Sieg in Kiew. Der Politneuling kam bei der Stichwahl in der in die EU strebenden Ex-Sowjetrepublik auf 73 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission gestern mitteilte. Der Fernsehstar Selenskyj hatte versprochen, die korrupten Machtstrukturen in der Ex-Sowjetrepublik zu zerstören. Er will auch den Krieg in der Ostukraine beenden.

Mehrere Staats- und Regierungschefs gratulierten Selenskyj zu seinem Wahlsieg. Russland äußerte die Hoffnung auf bessere Beziehungen zum Nachbarn. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lud den künftigen Präsidenten nach Berlin ein. „Die Stabilisierung der Ukraine sowie eine friedliche Konfliktlösung liegen mir ebenso am Herzen wie die Durchführung zentraler Reformen der Justiz, der Dezentralisierung sowie der Korruptionsbekämpfung“, betonte sie. Merkel hatte Selenskyj kurz vor der Wahl nicht empfangen – aber Präsident Petro Poroschenko, der nun mit 24 Prozent der Stimmen abgewählt wurde.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der dem neuen Staatschef gratulierte, hatte dagegen beide Kandidaten in Paris getroffen. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz schrieb auf Twitter: „Ich freue mich darauf, die gute Kooperation zwischen Österreich und der Ukraine mit Dir fortzuführen.“ Glückwünsche kamen auch von US-Präsident Donald Trump und von Vertretern der EU und der Nato. Selenskyj will einen möglichen Nato-Betritt der Ukraine künftig nur über eine Volksabstimmung zulassen. Russland sieht dies als Gefahr für seine Sicherheit.

Der Schauspieler, der bisher den Präsidenten in einer Comedy-Serie darstellte, steht wie der scheidende Amtsinhaber Poroschenko für einen prowestlichen Kurs des Landes. Der 53-jährige Oligarch bot dem Wahlsieger seine Unterstützung an. „Ich gehe aus dem Amt, aber ich gehe nicht aus der Politik“, sagte Poroschenko nach der Abstimmung am Sonntagabend.

Vor allem junge Wähler hoffen auf eine Erneuerung des Landes und mehr Wohlstand. Selenskyj hat angekündigt, etwa in der Justiz bei der Generalstaatsanwaltschaft und im Militär beim Generalstab der Streitkräfte eigene Leute einzusetzen. Namen nannte er zunächst aber nicht.

Offen ist, ob Selenskyj ohne eigene Machtbasis gegen die Strukturen in dem Land ankommen kann. Kritiker werfen ihm vor, ein Populist ohne echtes Programm für die Zukunft des Landes zu sein. Immer wieder Thema ist auch Selenskyjs Nähe zu dem Oligarchen Igor Kolomoiski, der mit seinem TV-Kanal 1+1 Stimmung gegen Poroschenko machte. Bei dem Sender läuft auch die Comedy-Serie.

Selenskyj will außerdem den Friedensplan für den umkämpften Osten der Ukraine wiederbeleben. Wichtigste Aufgabe sei es, seine Landsleute aus der Gefangenschaft Russlands und der Separatisten in der Ostukraine zu befreien. Seit 2014 kämpfen in den Gebieten Donezk und Luhansk Regierungssoldaten gegen prorussische Separatisten. Rund 13 000 Menschen sind dabei nach UN-Angaben bereits getötet worden.

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