FDP „Am Ende werden Not und Elend zusammenfinden“

Berlin · FDP-Fraktionschef sieht eine „gewisse Beliebigkeit“ bei der CDU in den Verhandlungen. Die Liberalen richten sich schon mal auf eine Groko ein.

Marco Buschmann ist Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Er hat die Jamaika-Verhandlungen von Anfang bis Ende mitgemacht. Die SZ fragte den 40-jährigen Gelsenkirchener nach seiner Bewertung der Groko-Sondierungen.

Sind die Groko-Verhandlungen besser organisiert als Jamaika?

BUSCHMANN Nein. Bestes Beispiel: Die Kontaktsperre, die sich beide Seiten gegeben haben, hat nicht mal einen Tag gehalten. Wenn man solche Vereinbarungen für die Kommunikation nach außen schon nicht einhält, glaube ich nicht, dass es drinnen geordneter zugeht.

Rechnen Sie mit einer Einigung zwischen Union und SPD?

BUSCHMANN Am Ende werden Not und Elend zusammenfinden. Die Union hat größte Sorge davor, vor den bayerischen Wahlen Neuwahlen zu bekommen, weil die für die CSU schlecht ausgehen würden. Dann dreht die CSU durch. Und die SPD weiß, dass die 20 Prozent der letzten Bundestagswahl für sie keine sichere untere Unterstützungslinie sind. Die SPD hat weder Geld, noch Strategie, noch Spitzenpersonal für einen Wahlkampf. Sie wird alles tun, um Zeit zu gewinnen. Wenigstens bis 2019.

Ist die Union bei der SPD entgegenkommender als bei Ihnen?

BUSCHMANN Das weiß ich nicht, weil ich nicht mit am Verhandlungstisch sitze. Aber dass die CDU eine gewisse Beliebigkeit an den Tag legt, ist schon zu erkennen. Bei Jamaika wollte sie es bei den Klimazielen für 2020 belassen, um die Grünen einzukaufen. Die gleichen Leute sagen jetzt, dass es doch ein Gebot der Nüchternheit sei, anzuerkennen, dass das 2020er Ziel nicht mehr zu schaffen sei. So etwas stärkt das Vertrauen der Menschen in Politik nicht gerade.

Rechnen Sie mit vorgezogenen Neuwahlen?

BUSCHMANN Rechnen hieße, dass ich sie für wahrscheinlich hielte. Das kann ich nicht sagen. Ich halte sie für möglich. Das hängt davon ab, wie die Regierungszeit bis 2019 verläuft.

Suchen Sie Kontakte zu den anderen Oppositionsparteien, zu Linken, Grünen und AfD?

BUSCHMANN Es ist für uns ein Gebot eines guten Parlamentarismus, mit allen seriösen und demokratischen Parteien zu sprechen. Diese Kontakte bauen wir gerade auf. Aber es gibt noch keine Vorbereitungen für gemeinsame Initiativen. Wenn eine andere Fraktion einen sinnvollen Vorschlag macht, werden wir ihn nicht deshalb ablehnen, weil er von anderen kommt. Umgekehrt erwarten wir das auch.

Keine Berührungsängste gegenüber AfD und Linken?

BUSCHMANN Es gibt zu beiden Parteien aufgrund der enormen programmatischen Unterschiede kaum Berührungspunkte und große Reserven. Letztlich orientieren wir uns an der Sache.

Was wird ihr Hauptangriffspunkt gegen die Groko sein?

BUSCHMANN In dieser Kategorie denken wir nicht. Wir fragen: Was ist das Beste für das Land, was braucht unsere Gesellschaft? Wir haben im Westen mit den USA einen Digitalgiganten und wir haben ihn im Osten mit China. Diese Giganten machen sich immer wettbewerbsfähiger. Und wir in Deutschland diskutieren über Steuererhöhungen und schwächen unsere Wettbewerbsfähigkeit. Das ist eine zukunftsvergessene Politik.

Bei jeder Rede im Bundestag wird man Ihnen entgegenhalten: Ihr Liberalen hättet es doch in der Hand gehabt, eine andere Regierung zu bilden.

BUSCHMANN Jamaika ist nicht daran gescheitert, dass wir nicht gewollt hätten. Sondern daran, dass die inhaltlichen Unterschiede zu groß waren. Diese Kritik ficht uns nicht an.

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