Leistung für Einkommensschwache Immer mehr Familien beziehen Kinderzuschlag

Berlin · Leistung für Einkommensschwache verhindert Abrutschen in Hartz IV.

 Von den zuständigen Behörden wurden dafür im Jahr 2017 insgesamt knapp 413 Millionen Euro ausgezahlt.

Von den zuständigen Behörden wurden dafür im Jahr 2017 insgesamt knapp 413 Millionen Euro ausgezahlt.

Foto: dpa/Jens Wolf

Immer mehr einkommensschwache Familien nehmen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation den sogenannten Kinderzuschlag in Anspruch. So gab es im vergangenen Jahr 258.347 Kinder, deren Eltern den Kinderzuschlag bezogen haben. Das waren 28.466 mehr als 2016. Von den zuständigen Behörden wurden dafür insgesamt knapp 413 Millionen Euro ausgezahlt – 87 Millionen Euro mehr als im Jahr davor. Das geht aus einer aktuellen Datenübersicht der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Der Kinderzuschlag wurde im Jahr 2005 vor dem Hintergrund der damaligen Verschmelzung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (Hartz IV) eingeführt. Er wird Eltern gewährt, die zwar den eigenen Bedarf durch ihr Erwerbseinkommen abdecken können, aber nicht den ihrer Kinder. Somit schützt der Kinderzuschlag davor, dass diese Eltern nur wegen ihrer Nachkommen in die staatliche Grundsicherung abrutschen und damit auf Hartz IV angewiesen sind. Im Juli 2016 und Anfang 2017 war der Kinderzuschlag schrittweise um insgesamt 30 Euro auf 170 Euro je Kind und Monat angehoben worden. Dadurch ist auch der Kreis der Anspruchsberechtigten gestiegen. Die individuelle Höhe des Kinderzuschlags wird mittels einer umfangreichen Berechnung ermittelt und richtet sich nach den jeweiligen Einkommensverhältnissen der Betroffenen. Laut Bundesagentur für Arbeit betrug die durchschnittliche Zahlung im vergangenen Jahr rund 133 Euro je Kind und Anspruchsmonat.

Die Sozialexpertin der Linken, Sabine Zimmermann, nannte es „beschämend, dass so viele Kinder in einem der reichsten Länder der Erde von Armut betroffen sind“. Die Leistungen für Kinder müssten erhöht und eine eigenständige Grundsicherung eingeführt werden, forderte Zimmermann. Sie hatte die Daten bei der BA abgefragt.

Der renommierte Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann widersprach indes dem Eindruck, dass der Kinderzuschlag ein Ausdruck wachsender Armut ist. „Aus der Entwicklung kann man nicht schließen, dass es immer mehr Familien in Deutschland schlechter geht, sagte Hurrelmann unserer Reaktion. „Nicht wachsende Bedürftigkeit, sondern ein gewachsenes Selbstbewusstsein der Betroffenen, das ihnen diese Mittel zustehen, dürfte für die steigenden Zahlen verantwortlich sein“. Offenbar würden sich mehr Menschen trauen, den Kinderzuschlag zu beantragen.

Früheren Untersuchungen zufolge machen nur etwa 30 bis 40 Prozent der Anspruchsberechtigten vom Kinderzuschlag Gebrauch. „Die Barrieren sind sehr hoch. Die Eltern müssen davon wissen, sie müssen wissen, wie man den Kinderzuschlag beantragt, und sie dürfen keine Scheu haben, sich bei den Ämtern über ihre Einkommensverhältnisse zu offenbaren“ erläuterte Hurrelmann. „Ein automatisches Anrecht statt eines Antragsrechts wäre daher viel besser für die Betroffenen“. Das bedeute, im Falle eines Anrechts müssten die Familienkassen die Anspruchsberechtigten darauf hinweisen und nicht umgekehrt, sagte Hurrelmann.

Nach der neuen Koalitionsvereinbarung ist allerdings Besserung in Sicht. So wollen Union und SPD den Kinderzuschlag nicht nur weiter erhöhen, sondern auch dessen Beantragung „entbürokratisieren“.

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