Aktionen gegen Kriminalität in New York Ex-Gangster setzen sich gegen Gewalt ein

New York · Bei Straftaten in New York bekommt die Polizei Unterstützung von Nachbarschaftswachen. Unter ihnen: ehemalige Gangmitglieder.

 Ex-Häftlinge Joshua Simon (links) und Lawrence Brown sorgen in Crown Heights für Sicherheit.

Ex-Häftlinge Joshua Simon (links) und Lawrence Brown sorgen in Crown Heights für Sicherheit.

Foto: picture alliance/AP Photo/dpa Picture-Alliance / Stephen Groves

„Seid ihr bereit, euch gegen Waffengewalt zu wehren, dann ruft „Ich bin bereit!“, fordert das frühere Gangmitglied David Gaskin mit einem Megafon in der Hand seine Zuhörer im New Yorker Stadtteil Brooklyn auf. „Ich bin bereit“, schallt es zurück. Der Aktivist hat das Viertel Bedford-Stuyvesant als Standort ausgewählt, weil hier drei Tage zuvor ein 27-jähriger Mann erschossen wurde. Gaskin gehört der Initiative Save Our Streets (S.O.S.) an, einer von immer mehr steuerfinanzierten Gruppen in New York, die sich gegen Schusswaffengewalt einsetzen.

Ihre als „Gewaltunterbrecher“ bezeichneten Mitglieder waren früher selbst in kriminellen Banden aktiv. Jetzt wollen sie die Bewohner wachrütteln. Angesichts steigender Mordfälle an jungen Leuten machen die Aktivisten Überstunden.

„Wir sind die Fußtruppe“, sagt Rudy Suggs, ein ehemaliger Drogendealer, der heute die Gewaltschlichter von S.O.S. anleitet. „Wir sind diejenigen, die hier spät nachts nach gefährdeten Jugendlichen Ausschau halten, die Drogen verkaufen, zocken und Dinge tun, die sie nicht tun sollten.“

Die Mitglieder dieser Nachbarschaftswachen stammen zumeist selbst aus Problemvierteln. Viele von ihnen haben Haftstrafen verbüßt. Aktuell sind 18 solcher Gruppen in Gegenden mit hoher Kriminalität im Stadtgebiet aktiv. Vier weitere sind in Planung. Die Kampagne ist Teil eines Plans von Bürgermeister Bill de Blasio, um die historisch niedrigen Raten bei Morden und Schusswaffengewalt zu halten.

„Die Polizei wirkt schlechtem Benehmen immer weniger entgegen, während diese Organisationen immer mehr zu gutem Benehmen anspornen“, sagt Elizabeth Glazer, die das Büro für Strafjustiz des Bürgermeisters leitet. Das Büro verfügt über ein Jahresbudget von 34 Millionen Dollar (knapp 30 Millionen Euro), um das S.O.S.-Programm und andere Projekte zu finanzieren. In konkreten Fällen stimmen sich die freiwilligen Nachbarschaftswächter Bezirk für Bezirk mit der Polizei ab. Beide Seiten achten aber darauf, sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten.

Sobald die Beamten einschreiten, mischen sich die Freiwilligen nicht mehr ein. Und das vermutlich Wichtigste dabei: Die Mitglieder der Bürgerinitiative halten ihre Kontakte und Gespräche vor der Polizei geheim, um nicht das Vertrauen der Gemeinde zu verspielen.

Wird eine Schießerei gemeldet, informieren die Beamten die Freiwilligen darüber, ob eine Vergeltung drohen könnte, damit diese sich einschalten können. Polizeiinspektor Bogle, dessen Einheit in Problemvierteln patrouilliert, begrüßt es, dass durch solche Programme kürzlich entlassene Gangmitglieder Arbeit finden können und so hoffentlich nicht wieder auf die schiefe Bahn geraten.

Auch bei den Anwohnern finden die Gruppen Anklang. Die Mitarbeiter der Gruppen würden als unterstützende Partner in der Gemeinde betrachtet, sagt Charlene Shields, die in der Nähe des S.O.S.-Büros in Bedford-Stuyvesant wohnt. „Wenn wir S.O.S. nicht hätten, um auf unsere Kinder aufzupassen, wären wir den ganzen Tag in Panik“, sagt Shields.

In diesem Jahr haben sowohl Polizei als auch Nachbarschaftswächter besonders viel zu tun. Seit Jahresbeginn wurden in der Stadt 16 Menschen im Alter zwischen zehn und 18 Jahren ermordet und damit bereits so viele wie im gesamten Vorjahr. Insgesamt 15 Prozent aller Mordopfer seit Mai waren 18 Jahre alt oder jünger.

In einem bestimmten Viertel im Norden von Brooklyn waren laut Polizei vier von sechs Mordopfern im Juli 16 Jahre alt oder jünger. In alle Taten seien Banden verwickelt gewesen. In solchen Fällen treten die Nachbarschaftswächter auf den Plan. Nach gewaltsamen Übergriffen besuchen sie die Opfer im Krankenhaus, trösten die Angehörigen und stellen sicher, dass es nicht zu Racheakten kommt. Innerhalb von 72 Stunden nach der Tat halten sie eine Kundgebung am Tatort ab – mit Megafon, Sprechchören und Zeichen, um die Nachbarschaft auf die Gewalt aufmerksam zu machen.

Das Programm verbucht offenbar Erfolge: Als S.O.S. 2010 im Stadtteil Crown Heights seine Arbeit aufnahm, gab es dort 24 Schießereien. Im vergangenen Jahr waren es nur noch drei. Zu den Mitarbeitern der Gruppe dort gehören die beiden Ex-Häftlinge Lawrence Brown und Joshua Simon. Ihre Erfahrung im Gefängnis nutzen sie nun, um jüngere Männer vor einer kriminellen Laufbahn zu warnen. Ihnen müsse klar sein, dass ihnen im Fall einer Festnahme ein Leben in einer winzigen Gefängniszelle drohe, sagt Simon ihnen: „Und wenn ich so mit ihnen rede, wachen sie auf.“

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