Loveparade Die Katastrophe von Duisburg soll zu den Akten

Düsseldorf · Der Loveparade-Prozess könnte ohne ein Urteil zu Ende gehen. Das Gericht hat eine Einstellung vorgeschlagen. Der Protest fällt leiser aus als erwartet.

  Bei der Loveparade-Katastrophe in Duisburg starben vor achteinhalb Jahren 21 Menschen.

Bei der Loveparade-Katastrophe in Duisburg starben vor achteinhalb Jahren 21 Menschen.

Foto: dpa/Achim Scheidemann

Für viele der überlebenden Opfer und Angehörigen der Toten dürfte es eine bittere Pille sein: Der Loveparade-Prozess wird möglicherweise bald eingestellt – ohne Urteil. Nach mehr als einem Jahr Prozessdauer hat das Landgericht Duisburg in Gestalt des Vorsitzenden Richters Mario Plein dies gestern den Prozessbeteiligten vorgeschlagen, wie Teilnehmer berichteten. Damit könnte sich bestätigen, was seit Wochen als wahrscheinlichste Variante diskutiert wird. Aber die Sache ist noch nicht vom Tisch. Staatsanwaltschaft und Verteidiger müssen der Einstellung zustimmen. Und die Staatsanwaltschaft hat sich bereits positioniert: Ohne Geldauflagen für die Angeklagten keine Zustimmung.

Das Gericht sieht dagegen nur bei drei der zehn Angeklagten eine sich abzeichnende Mitschuld an der Katastrophe, die eine Geldauflage rechtfertigt. Bei ihnen handelt es sich um damalige Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent. Das bedeutet im Umkehrschluss: Alle städtischen Mitarbeiter kämen ohne Auflagen davon. Darin liegt das Potenzial, an der die Einstellung scheitern könnte.

Einen anderen Fallstrick, die millionenschweren Prozesskosten, hat das Gericht bereits zu entschärfen versucht: Sie sollen dem Vernehmen nach der Staatskasse aufgebürdet werden. Die Kosten bewegen sich in Millionenhöhe und hätten das Zeug, die Angeklagten wirtschaftlich zu ruinieren. Eine auch nur teilweise Übernahme der Beträge für Opferanwälte, Saalmiete oder Gutachten wäre eine echte Hürde, zumal viele Verteidiger ihre Mandanten durch die bisherige Beweisaufnahme eher ent- als belastet sehen. Folglich kämpfen die Verteidiger für eine Einstellung ohne Geldauflage und Prozesskostenübernahme. Dass der Prozess damit ausgehen dürfte wie das Hornberger Schießen und das der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln sein wird, sieht Verteidiger Gerd-Ulrich Kapteina nicht: „Das Verfahren hat einen enormen Erkenntnisgewinn gebracht, den wir überhaupt nicht erwartet hätten. Damit kann das Veranstaltungsrecht reformiert werden, so dass sich Derartiges nicht wiederholt.“

Bei der Loveparade-Katastrophe waren 21 Menschen getötet und 652 verletzt worden. Am einzigen Zu- und Abgang zum Veranstaltungsgelände kam es im Juli 2010 zu einem tödlichen Gedränge. Vor Gericht müssen sich zehn Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verantworten. Sechs von ihnen waren Mitarbeiter der Stadt, vier vom Veranstalter Lopavent.

Sollte die Zustimmung zur Einstellung verweigert werden, hat Richter Plein angedeutet, was den Beteiligten andernfalls bevorsteht: Bis zu 575 Zeugen wären noch zu vernehmen. 58 waren es bisher. Damit wird auch klar, dass dem Prozess ohnehin die Einstellung droht: wegen Verjährung am 27. Juli 2020.

Dabei hat sich im Prozess entgegen der Erwartungen bisher viel getan: Die Beweisaufnahme ist weit fortgeschritten, die wichtigsten Zeugen sind vernommen, acht Sachverständige wurden gehört. Möglich war dies, weil die Verteidiger bislang konstruktiv mitarbeiten. Ebenfalls erstaunlich: Die Empörung seitens der Opferanwälte fiel gestern sehr leise aus. Verteidigerin Arabella Pooth betonte etwa, der Prozess sei auch für die Angehörigen sehr belastend. Ihr Mandant sei einer Einstellung daher gar nicht abgeneigt.

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