Baum des Todes Tragödie von Madeira wirft Fragen auf

Funchal · Bunt und fröhlich sollte das Volksfest in Monte werden – aber es endet in Tränen. Eine über 200 Jahre alte Eiche erschlägt 13 Menschen.

 Rettungskräfte bergen in Monte einen Toten, nachdem ein Baum auf eine Menschenmenge gestürzt ist und zwölf Menschen erschlagen hat.

Rettungskräfte bergen in Monte einen Toten, nachdem ein Baum auf eine Menschenmenge gestürzt ist und zwölf Menschen erschlagen hat.

Foto: dpa/Aspress

(dpa) Das religiöse Volksfest „Festa da Senhora do Monte“ stand unter keinem guten Stern, schon im vergangenen Jahr nicht. 2016 musste das Festival auf Madeira, das traditionell zu Ehren der örtlichen Schutzpatronin veranstaltet wird, wegen verheerender Waldbrände kurzfristig abgesagt werden. In diesem Jahr blieb die Region um Funchal während der Feierlichkeiten am 14. und 15. August zwar von Flammen verschont, dafür ereilte sie eine andere Katastrophe: Eine riesige, mehr als 200 Jahre alte Eiche stürzte während des Fests auf eine Gruppe von Gläubigen und Schaulustigen, die sich gerade auf die Prozession vorbereiteten.

13 Menschen sind tot, darunter nach Krankenhausangaben ein Kleinkind sowie zwei Ausländer – eine 42-jährige Französin und eine 31-jährige Ungarin. Etwa 50 weitere Besucher wurden durch die Wucht des Aufpralls verletzt. Auch ein Deutscher wurde gestern noch in einer Klinik behandelt.

Die Menschen auf der Atlantikinsel stehen nach der Katastrophe unter Schock. „Der Baum des Todes“, titelte eine lokale Zeitung gestern, eine andere sprach von einer „tragédia anunciada“ – einer angekündigten Tragödie. Denn angeblich war schon länger bekannt, dass sich einige Bäume in dem oberhalb von Funchal liegenden Örtchen Monte in prekärem Zustand befanden – gesichert wurden sie aber nicht. So kam es zur Katastrophe.

Dabei sollte alles so fröhlich werden. Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen hatten sich gut gelaunte Inselbewohner sowie zahlreiche Urlauber aus aller Welt in der idyllischen Gemeinde versammelt, bewunderten den bunten Blumenschmuck und schlenderten an Verkaufsständen vorbei. Das religiöse Festival gilt schon lange als das wichtigste und größte Event der Insel. Höhepunkt ist alljährlich eine farbenfrohe Pilger-Prozession zur 1741 erbauten Wallfahrtskirche. Aber dazu sollte es diesmal nicht kommen.

Funchals Bürgermeister Paulo Cafôfo versicherte, die betroffene Eiche habe keine offensichtliche Gefahr dargestellt: „Der Baum hatte eine grüne und gesunde Krone und wies keine Anomalie auf.“ Experten einer Spezialfirma und des Instituts für Agrarwissenschaften sollen klären, warum die Eiche den Halt verlor und plötzlich samt ihres schweren Wurzelwerks aus der Erde kam. Auch die Staatsanwaltschaft hat sich bereits eingeschaltet und will eine Untersuchung einleiten.

200 Jahre, das ist eine stolze Lebensdauer, selbst für eine Eiche – zumindest, wenn sie nicht in der freien Natur, sondern in einem städtischen Umfeld steht. Denn auch Bäume hätten eine natürliche Altersgrenze, betont Christoph Rullmann, Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Stadtbäume seien dabei in einem besonders schwierigen Ökosystem angesiedelt: „Straßenverkehr, Feinstaub, im Winter kommt Streusalz dazu. Oft ist auch der Wurzelraum begrenzt, den sich die Bäume zudem mit Rohren und Kabelleitungen teilen müssen.“ Um Unglücke zu vermeiden gelte allgemein die Regel: „Je größer oben die Krone ist, desto größer muss auch unten die Wurzel sein, damit der Baum stabil steht.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen in Europa von einem Baum erschlagen werden, aber das Drama von Madeira ist das schlimmste seit vielen Jahren. Im Sommer 2001 waren in Straßburg zehn Menschen erschlagen worden, als eine Platane auf ein Restaurant-Zelt stürzte. Die Opfer hatten dort Schutz vor Orkanböen gesucht. Mehr als 80 Menschen wurden damals verletzt. Bei einem Unwetter in Düsseldorf gab es im Juni 2014 drei Tote, als eine Pappel auf ein Gartenhaus fiel.

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