Doping-Domino der Supersprinter

Kingston · Der „schwarze Sonntag“ mit den Dopingfällen von Tyson Gay, Asafa Powell und weiteren Sprintern erschüttert die Leichtathletik. Superstar Usain Bolt pflegt dagegen sein Image als der große Saubermann.

Beim großen Doping-Domino fallen die Kontrahenten von Usain Bolt der Reihe nach, doch der schnellste Mann der Welt gibt sich betont cool. Passend zum "schwarzen Sonntag" twitterte der Superstar sogar ein Foto von sich inmitten einer gepflegten Zockerrunde: "Domino mit meinem Team . . .", kommentierte Bolt aus der scheinbaren Ruhe im Auge des Hurrikans.

Der riesige Skandal um die positiven A-Proben der Topsprinter Tyson Gay und Asafa Powell dürfte an Bolt vorbeiziehen, die unbekannten zwei von fünf erwischten Jamaikaner sollen kleine Fische aus der Sprung- und Wurfszene sein. Der Schock angesichts der neuen Enthüllungen ist einen Monat vor der Weltmeisterschaft in Moskau dennoch groß.

"Für den Sport ist das einfach nur grauenvoll. Wieder bricht in der Öffentlichkeit ein gewaltiges Stück Vertrauen weg, das wir uns mühsam erarbeitet haben", sagte der frühere Hürdenweltrekordler und heutige TV-Experte Colin Jackson (Großbritannien). Bei Olympia in London hatte Jackson noch Jamaikas Auftakt-PK mit Bolt und Powell moderiert, gab den Jubelperser in einer Show mit viel Brimborium. Nun sagt er: "Das einzig Gute ist: Wer betrügt, wird erwischt. Egal wie groß der Name ist."

Und es sind die größten Namen, die unterhalb der Kategorie Bolt zu erwischen waren. Binnen vier Stunden sickerte am Sonntag durch, dass die drei schnellsten Sprinter des Jahres schwer belastet sind. Der schnellste, der dreifache Ex-Weltmeister Gay aus den USA, bestätigte ebenso eine positive A-Probe wie Jamaikas Ex-Weltrekordler Powell. Wie gewohnt mit großen Worten, die eigene Unschuld beteuernd. Bei der Nummer zwei der Welt, Nesta Carter, fehlt noch eine Bestätigung. Die liegt bei Jamaikas Topsprinterin Sherone Simpson bereits vor - ihre Teamkollegin Veronica Campbell-Brown war schon im Mai erwischt worden.

Die jamaikanische Sprinter-Elite zerfällt, doch Bolt bleibt ruhig - auch wenn die Einschläge näher kommen: Sollten sich die Tests bestätigen, hätten neun der zehn schnellsten 100-Meter-Sprinter der Geschichte eine Doping-Vergangenheit. Nur Bolt gilt dann gemeinhin noch als sauber - eine Rolle, die er stets pflegt. Dass der sechsmalige Olympiasieger der von der Natur am meisten gesegnete Athlet der Welt sei, hat er oft betont: "Ich bin absolut sauber. Ich habe kein Problem damit, dass ich notfalls täglich getestet werde, um es der Welt zu beweisen", erklärte Bolt noch Anfang Juli. Zu den aktuellen Vorfällen gab es weder von Bolt noch von seinem Star-Trainer Glen Mills einen Kommentar.

Doch Gay hin, Powell her: Erst ein Dopingfall Bolt wäre der richtige Super-Gau für die Leichtathletik. Doch auf diesen gibt es derzeit keine Hinweise. "Klar, der Verdacht liegt nahe, aber theoretisch ist seine Leistung wie auch die von Radstar Chris Froome mit Genetik und Training erklärbar", sagte der Münsteraner Trainingswissenschaftler Andreas Greiwing. Anders formuliert: Man muss Bolt einfach glauben.

Zum Thema:

Auf einen BlickPressestimmen zu den Doping-Enthüllungen in der Leichtathletik: Frankreich: "L'Équipe": Was für ein Erdbeben! Seit gestern ist der 14. Juli der internationale Anti-Doping-Tag."Le Figaro": Donnerschlag! In Paris, wo am Sonntag der letzte Tag der Landesmeisterschaften stattfand, schlug die Neuigkeit ein wie eine Bombe. "Le Parisien": Schlechte Zeiten für den Sprintsport. Das ist ein echtes Erdbeben. Schweiz: "Blick": Totalschaden im Männer-Sprint. Auffällig ist, kein einziger der unter Dopingverdacht stehenden jamaikanischen Sprinter gehört zur Trainingsgruppe von Usain Bolt und Coach Glen Mills. "Neue Zürcher Zeitung": Der 14. Juli 2013 wird als einer der schwärzesten Tage in die Geschichte der kriselnden Leichtathletik eingehen, übertroffen einzig vom 27. September 1988, als der Dopingfall Ben Johnson an den Olympischen Spielen in Seoul aufflog. "Tages-Anzeiger": Traue keinem Spitzensprinter. Bereits vor der WM 2009 waren fünf Jamaikaner durchgefallen, unter ihnen der aktuelle 100-Meter-Weltmeister Yohan Blake. Verunreinigte Supplemente sollen schuld gewesen sein. Alle Athleten mussten nur Kurzsperren absitzen. Schon damals litt der Ruf der Leichtathletik - er ist seither nicht besser geworden. Österreich: "Kronen Zeitung": Doping-Megaschock für die Leichtathletik wenige Wochen vor der WM in Moskau! Norwegen:"Aftenposten": Sie halten uns zum Narren. Zwei der vier schnellsten Männer der Welt sind positiv getestet worden. Überraschend? Überhaupt nicht. dpa

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