Stichwahl in Hamburg Kramp-Karrenbauer ist neue CDU-Vorsitzende

Saarbrücken/Hamburg · Annegret Kramp-Karrenbauer ist neue Vorsitzende der CDU. Sie erhielt im zweiten Wahlgang 517 der 999 abgegebenen gültigen Stimmen. Damit steht erstmals eine Saarländerin an der Spitze der Regierungspartei.

 Annegret Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel.

Annegret Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel.

Foto: dpa/Christian Charisius

Die Entscheidung fiel erst in der Verlängerung. Im ersten Wahlgang hatte Kramp-Karrenbauer 450 Stimmen erhalten, Friedrich Merz 392 und Jens Spahn 157. Da Beobachter davon ausgingen, dass Spahn-Wähler eher zum konservativen Merz tendieren, galt das Ergebnis der Stichwahl als offen. Am Ende hatte Kramp-Karrenbauer die Nase mit 35 Stimmen vorn.

Die saarländische Delegation mit ihren 34 Delegierten feierte das Ergebnis mit frenetischem Applaus. Tobias Hans, der Nachfolger Kramp-Karrenbauers an der Spitze der Saar-CDU, sprach von einem „überwältigenden Gefühl“. „Die Tatsache, dass sie gewählt wurde, hat auch damit zu tun, dass es in der Partei eine große Sehnsucht danach gibt, dass wir geschlossen sind.“

Der Wahl vorangegangen war ein historischer Wettbewerb der Bewerber, der am heutigen Freitag in einer mit Spannung erwarteten Vorstellungsrunde vor den 1001 Delegierten und tausenden Gästen in der Hamburger Messe ihren Höhepunkt fand.

CDU-Parteitag in Hamburg: Merkel, Merz und Kramp-Karrenbauer
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Foto: BeckerBredel

Annegret Kramp-Karrenbauer wies dabei zum Auftakt auf ihre Vergangenheit als Ministerin im Saarland hin und sagte: „Ich habe gelernt zu führen.“ Dabei komme es auf die „innere Stärke“ an, mehr als auf die Lautstärke. Man müsse wie in den 80er Jahren, als sie zur CDU kam und in Deutschland eine „Endzeitstimmung“ bestanden habe, den Mut haben, den heutigen „Schwarzmalern“ und ihren „Horrorszenarien“ nicht hinterherzulaufen. Die CDU sei „das letzte Einhorn“ unter den europäischen Volksparteien und solle eine solche bleiben. Die CDU müsse weiterhin Menschen aus allen Lagern in die politische Mitte ziehen. Dafür dürfe sie kein „Gemischtwarenladen“ werden. Sie müsse aus der „Komfortzone“ heraus und für die Zukunft Europas, die ländlichen Räume, moderne Schulen arbeiten und die „Bremsen lösen für die, die in diesem Land was erreichen wollen“. Sie warb für Bürokratieabbau, eine sichere Rente und „einen Staat, der sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt, weder von arabischen Großclans noch von Autonomen“. Und sie wiederholte ihre Anregung einer Dienstpflicht: „Zusammenhalt ist mehr als nur Steuern zahlen.“ Staatsbürger seien keine Kunden der öffentlichen Hand. „Diesen Staat gibt es nicht zum Nulltarif.“

Friedrich Merz sprach sogleich von „großer Dankbarkeit“ für die scheidende Parteichefin Angela Merkel, forderte aber einen „Strategiewechsel“ der Partei bei Themen, im Umgang mit Mitbewerbern und der Kommunikation mit den Menschen. „Ohne klare Positionen bekommen wir keine besseren Wahlergebnisse.“ Der Aufstieg der AfD sei für ihn „kaum erträglich“. Er bestreite niemandem den Willen, diesen zu verhindern. Eine Debatte um das Grundsatzprogramm reiche da aber nicht aus. Die CDU müsse das Spektrum ihres Angebots erweitern und zeigen, dass auch Wertkonservative in ihr einen Platz haben. Die Konzentration auf die Mitte verlagere die politische Debatte auf die Ränder. Merz punktete mit Angriffen auf die Grünen, mit Aufrufen zum Selbstbewusstsein gegenüber den USA und einem Bekenntnis zu sicheren Grenzen sowie seiner Ankündigung, die ostdeutschen Landesverbände im kommenden Jahr bei den Wahlen zu unterstützen: „Wir überlassen den Osten des Landes nicht den Populisten von links und rechts“. Zu einer Zusammenarbeit mit Kanzlerin Merkel sagte er: „Natürlich geht das gut.“ Das Land gehe vor der Partei.

Jens Spahn sagte trotz aller Unkenrufe über seine geringen Chancen: „Es fühlt sich richtig an, hier zu stehen.“ Er wolle auch 2040 in einem Land leben, das von der CDU regiert wird. Dafür brauche die Partei „Lust auf Debatte“, müsse digitaler und weniger formal werden, um auch junge Leute anzusprechen. Wer ihm sage, er habe noch Zeit, entgegne er: Viele Entscheidung in Deutschland hätten keine Zeit mehr.

Am Morgen hatte das AKK-Lager Hoffnung geschöpft. Der Kramp-Karrenbauer-Vertraute Karl Rauber war nach den Meldungen, die er von den Besprechungen anderer Landesverbände bekommen hatte, auf der Fahrt zur Hamburger Messe sichtlich gelöster als am Vorabend. Nur Alexander Zeyer von der Jungen Union hatte die schlechte Nachricht, dass sich am Abend der JU-Bundesvorsitzende Paul Ziemiack noch für Spahn im ersten und Merz im zweiten Wahlgang ausgesprochen hatte.

Die drei Kandidaten hatten seit Mitte November eine 15-tägige Deutschland-Tournee mit acht Regionalkonferenzen hinter sich gebracht. Allein zur zweiten dieser mehrstündigen Veranstaltungen, die sich auch an die saarländischen CDU-Mitglieder richtete, waren rund 2000 Besucher nach Idar-Oberstein gekommen. Bei der größten in Düsseldorf waren es rund 4000.

Wahlkampf wurde bis zuletzt betrieben, auch noch auf den Fluren der Hamburger Messe-Halle. Das Lager von Kramp-Karrenbauer beklagte am Freitagvormittag einen zunehmend aggressiven Ton der Anhänger von Friedrich Merz. Kramp-Karrenbauer hatte sich am Vorabend vor den Saar-Delegierten entschieden gegen den Slogan „Merz oder Untergang“ gewandt. Es bedeute vielmehr den Untergang der CDU, wenn auf diese Weise diskutiert wurde.

Die scheidende Parteichefin Angela Merkel war zu Beginn des Parteitags mit stehendem Applaus empfangen worden. In ihrer knapp 35-minütigen Rede vermied sie eine Aussage für einen der Kandidaten. Sie forderte die CDU aber auf, in die Zukunft zu blicken: Die CDU sei heute eine andere Partei als im Jahr 2000, als sie Vorsitzende wurde. „Und das ist gut so.“ Die CDU entwickele Politik auf Grundlage ihrer Werte, aber sie müsse auch schauen, „was um uns herum geschieht“, denn: „Konservativ kommt nicht von Konserve“. Sie bekannte sich zu den Entscheidungen der letzten 18 Jahre, etwa die Aussetzung der Wehrpflicht, die Entwicklung eines eigenen Modells für den Mindestlohn, die Bewältigung der europäischen Schuldenkrise, die Verbesserungen von Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und sie hob ihre „humane“ Antwort in der Flüchtlingskrise hervor. „Ich habe euch einiges zugemutet“, sagte sie. Sie erinnerte aber auch an die Parteispendenaffäre vor fast 20 Jahren, nach der sie die CDU übernommen hatte. Damals sei die Existenz der Partei in Gefahr gewesen.

Selbstironisch wies Merkel „in dieser Stunde des Abschieds“ an ihr erstes Parteitagsmotto „Zur Sache“, das sei „typisch Merkel“ gewesen: „Knochentrocken“. Damals sei es ein Wagnis gewesen, dass sich die CDU und sie, die erst in der DDR-Wende in die Politik kam, „aufeinander“ eingelassen hätten. Ein Wagnis, dass die meisten Delegierten wohl nicht bereuten: Merkel bekam über neun Minuten stehenden Applaus.

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