Bauer kippt Milch in den Saubach

Hamburg/Berlin/Saarbrücken. Die deutschen Verbraucher haben den Boykott der Milchbauern gestern zum ersten Mal auch in den Kühlregalen gespürt. In einigen Supermärkten wurde die Milch knapp. Am Nachmittag rief der Milchbauernverband zur Räumung der Blockaden auf, um die Situation zu entspannen

Hamburg/Berlin/Saarbrücken. Die deutschen Verbraucher haben den Boykott der Milchbauern gestern zum ersten Mal auch in den Kühlregalen gespürt. In einigen Supermärkten wurde die Milch knapp. Am Nachmittag rief der Milchbauernverband zur Räumung der Blockaden auf, um die Situation zu entspannen. "Wir empfehlen, vor den Molkereien eine Eskalation zu vermeiden, damit wir zu vernünftigen, sachlichen Gesprächen kommen", so Franz Grosse vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Die Milchindustrie hatte wegen der Blockaden mit juristischen Schritten gedroht. Beim Einzelhandelsverband HDE hieß es, Lieferengpässe von größerem Ausmaß seien in absehbarer Zeit nicht zu befürchten.Die Milchwerke der Hochwald Nahrungsmittel-Werke GmbH (Sitz: Thalfang), an die die saarländischen Bauern normalerweise ihre Milch liefern, meldete gestern Abend, dass die Blockaden ihrer Werke aufgehoben seien. Man nehme "mit sofortiger Wirkung die nach den Blockaden eingestellte Rohmilchanfuhr jetzt wieder auf". Am Hochwald-Werk in Saarbrücken gegenüber der Saarmesse werde aber weiter eine Mahnwache bleiben, sagte gestern Abend Joachim Bösen, Saar-Vorsitzender des BDM der Saarbrücker Zeitung. "Der Lieferstopp geht aber unvermindert weiter. Wir rücken keinen Liter Milch raus", so Bösen. Im Saarland arbeiten laut Bösen knapp 250 Milchbauern, von denen die Hälfte im BDM organisiert ist. Die nicht bei den Molkereien abgelieferte Milch werde ganz überwiegend an die Kälber und Kühe verfüttert. Was übrig bleibe, werde über die Gülle "in den natürlichen Kreislauf" zurückgeführt, so Bösen. Offensichtlich wird Milch aber auch schon mal in ein Gewässer gekippt. Am frühen Nachmittag des vergangenen Sonntags war der Saubach bei Gresaubach zeitweise mit einer hellen Flüssigkeit verunreinigt, "möglicherweise mit Milch", wie es im Polizeibericht heißt. Augenzeugen versicherten gegenüber unserer Zeitung, dass es sich um Milch handelte. Ärgerlich findet Ulrich Leyhe vom Naturschutzbund (Nabu) Saar diese Aktion: "Bei allem Verständnis für die Interessen der Bauern - die Milch gehört nicht in den Bach." Es sei nicht auszuschließen, dass etwa Wasserinsekten durch das Fett in der Milch Schaden nehmen, das Gewässer gerate in eine Art "Schockzustand". Die Polizei sucht noch den Verursacher. Der Vorsitzende des Lebensmittelfachverbandes an der Saar, Hans Philippi (Wadgassen), registrierte gestern gestern Nachmittag "noch keine Lieferengpässe bei der Milch im Saarland. Die Lage ist aber sehr unübersichtlich", so Philippi. "Der Handel steht jedenfalls voll hinter den Forderungen der Bauern. Wir Händler brauchen die Bauern." Die saarländische Handelskette Globus (St. Wendel) rechnet spätestens von kommendem Montag an mit Versorgungslücken. Am Nachmittag begannen die protestierenden Bauern vielerorts, die Molkerei-Blockaden wieder zu räumen. Die Bauern sollen laut BDM zwar weiter vor Ort Präsenz zeigen, die Zufahrt zu den Werken aber nicht versperren. Der Verband will den bundesweiten Liefer-Boykott fortsetzen und dementierte aber Berichte über ein Ende des Lieferstopps. Derzeit blieben etwa 80 Prozent der Milch auf den Höfen, rund 70 Prozent der deutschen Milchbauern seien am Lieferboykott beteiligt. dpa/ur/tho

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