PORTRÄT DER WOCHE Der Sternenkrieger aus Rohrbach

Rohrbach · Wie aus Guidon Messika ein in Hollywood gefragter Kostümbauer wurde: Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis. . .

 Stapelweise Helme, Brustpanzer, Beinschoner: In der Kostümfirma sieht es zeitweise aus, wie in einer futuristischen Waffenkammer auf dem Todesstern.

Stapelweise Helme, Brustpanzer, Beinschoner: In der Kostümfirma sieht es zeitweise aus, wie in einer futuristischen Waffenkammer auf dem Todesstern.

Foto: Messika

Eine surrealere Szenerie hätte  Guidon Messika für seine Firma „Moviefx“ nicht finden können. Irgendwie erinnert an diesem Ort alles an einen Endzeitfilm. In einer gefühlt weit, weit entfernten Galaxis – im Rohrbacher Industriegebiet – steht das leicht verwitterte Gebäude direkt hinter einem neuen, gut besuchten Bäckerei-Imbiss. Gegenüber ist Messikas Lagerhalle. Der Innenhof ist geöffnet. Ein weißer Sportwagen aus den 1970er Jahren mit kaputter Windschutzscheibe parkt dort. Es ist ein Lotus Esprit, und zwar das Auto, das Roger Moore im Bond-Film „Der Spion, der mich liebte“ gefahren hat. Den hatte sich Film-Fan Messika einmal besorgt.

Drinnen im Gebäude ist es dann so, als hätte man den Todesstern der Weltraumsaga „Star Wars“ betreten. Die markanten schwarzen Wandverkleidungen stehen direkt am Eingang, dahinter liegen Dutzende Formen für neue, weiße Storm-Troo­per-Rüstungen. Einer dieser Kämpfer ziert auch das Firmenemblem. An einer Werkbank wird gerade ein neuer R2D2-Roboter gefertigt. In einem anderen Raum stapeln sich Helme für Darth Vader. Eine Etage höher liegt in einer Ecke der Film-Kopf von Jedi-Meister Yoda.

Und mittendrin huscht Guidon Messika (47) durch sein kleines Imperium, stoppt kurz, um sich eine Zigarette anzuzünden. Der Endvierziger mit grauen Haaren raucht sie in wenigen Zügen. Sein Smartphone klingelt permanent. Es geht um aktuelle Aufträge, kommende Großprojekte. Messika schaut im Vorbeigehen auf ein neues Helm-Modell, das er tags zuvor für seine Tief-Zug-Maschine angefertigt hat. Dabei werden beispielsweise Kunststoffplatten eingespannt, erwärmt und mithilfe von Vakuum über alle möglichen Formen gezogen. „Die Maschine ist das Herz der Firma“, sagt er. Denn mit ihr erschafft er die Star-Wars-Kostüme.

Messika ist kein Fanatiker, obwohl er „ein bisschen freakig“ ist, wie der 47-Jährige sagt. Der gebürtige Saarbrücker ist ein „Kostümbauer“. Er uns seine Mitarbeiter formen, feilen und nähen tagelang neue komplette Kostüme, bemalen und bekleben sie  – oder bauen sogar komplette Kulissen nach, teilweise mit Originalplänen. Das, was die Kunden, zu denen Filmstars gehören, wollen. „Ich bin ein Getriebener. Aber mein Herz hängt an den Figuren. Alles muss bis ins kleinste Detail passen.“ Und das macht Messika scheinbar so gut, dass selbst Lucasfilm ihn haben wollte. Also die Hollywood-Produzenten, die das Science-Fiction-Universum 1977 zum Leben erweckt und so das Leben Messikas auf den Kopf gestellt haben. Aber eigentlich scheint die Macht von Geburt an in ihm gewesen zu sein. Sie brauchte nur Jahrzehnte, um sich ihren Weg ans Licht zu bahnen. Begonnen hat alles im Baumhaus der Familie in Saarbrücken. „Ich habe dort quasi als Junge gelebt, von morgens bis abends Kostüme genäht und gebastelt – und gezeichnet: Raumschiffe und Außerirdische.“ Star Trek, Star Wars, Kampfstern Galaktika. Es war die große Science-Fiction-Ära, auch in Deutschland.

Trotz Kunst-Liebe studierte Messika ganz geerdet Elektrotechnik. „Es ist die übliche Geschichte: Die Eltern wollen, dass man was mit mehr Perspektive macht. Deren Meinung ist ja wichtig, und, und, und.“ Während des Studiums arbeitete er nebenher in einer großen Soundsystem-Firma, die auch Discos ausgebaut hat. Das sollte lange Zeit so bleiben. „Nach dem Abschluss habe ich dringend eine Auszeit gebraucht.“ Messika ging 1994 für sechs Monate nach San Francisco, arbeitete als DJ in einem Club. Irgendwann machte er einen Trip nach Los Angeles, schaute sich in den Disney Studios die Star-Wars-Tour an. „Da habe ich einen echten Storm-Trooper gesehen, und es war um mich geschehen.“ Messikas Augen strahlen. „Die Faszination, das Kribbeln, alles war wieder da. Ich musste so einen haben.“ Zwei Wochen durchforstete er die Metropole, bis er endlich ein Kostüm kaufen konnte. „Für 7000 Dollar. Wahnsinn.“ Auf dem Rückflug stoppte er in London beim Auktionshaus Christie’s. Dort wurden Originale der Star-Wars-Sets für „Unsummen“ gehandelt. Auch er besorgte sich Teile, unter anderem drei Helme.

Und dann passierte erst einmal lange nichts. Bis September 1998.  „Der berüchtigte Samstag. Ich wachte damals auf und hatte keine Lust mehr auf Discotechnik.“ Er ging zum Kiosk und kaufte eine Ausgabe des angesagten „Space View“-Magazins. Hier drin war eine Anzeige für ein Storm-Trooper-Kostüm: 5999 DM, zwölf Monate Wartezeit. „Das geht auch schneller, billiger und besser. Ich mache das jetzt“, dachte er sich, ohne wirklich einen Plan zu haben wie. In einem einwöchigen Schnellkurs lernte er, wie man Masken gießen kann, er bestellte sich eine Tonne Kunststoff und andere Materialien und legte los. In einer kleinen Garage in Niederwürzbach. In kürzester Zeit baute er sich einen guten Ruf in der Szene auf.

Und irgendwann klingelte Rick McCullam durch. Der Star-Wars-Produzent  bereitete 2001 gerade den Dreh für „Episode II“ vor und wollte Messika als Ausstatter verpflichten. „Am nächsten Tag saß ich im Flieger nach Hollywood. Dort sprachen wir alles durch. Sie waren begeistert, ich war begeistert. Es passte alles.“ Und dann platzte der Deal. Der Produzent hatte sein Budget „gesprengt“, musste sparen. Die Trooper, die Messika bauen sollte, wurden kostengünstig computergeneriert. „Ich war natürlich geknickt.“ Aber McCullam ließ Messika nicht hängen. Er besorgte ihm Aufträge als Ausstatter für die Star-Wars-Trailer in Europa. „Das war mein Durchbruch. Danach habe ich quasi vier Jahre lang durchgearbeitet.“ Inzwischen ist auch er eine Größe in der Star-Wars-Welt. Bei den Filmpremieren zur „Episode II“ liefen viele seiner Kostüme über den Roten Teppich. Auch bei Theater und anderen Produktionen sind seine Werke gefragt.

 Achtung, die Femtrooper kommen: Weibliche Storm-Trooper-Kostüme sind derzeit einer der Verkaufsschlager der Firma.

Achtung, die Femtrooper kommen: Weibliche Storm-Trooper-Kostüme sind derzeit einer der Verkaufsschlager der Firma.

Foto: Messika

Und trotzdem bereitet er ein neues Geschäft namens „True Force Audio“ vor. Er will Boxen auf den Markt bringen, die „endlich auch den Star-Wars-Sound richtig rüber bringen“. Nach 19 Jahren Auf-das-Herz-hören sei es an der Zeit, zu den Wurzeln zurückzukehren. Heißt das, Messika hört auf mit Star-Wars-Kostümen? „Nein. Niemals.“ Allein für die neue „Episode VIII – Die letzten Jedi“, Start im Dezember, bereitet er in Saarbrücken eine große Ausstellung vor. Mit gut 35 Figuren. „Das wird eine imposante Schau“. Messika lehnt sich zufrieden zurück. Es scheint klar: Die Macht bleibt wohl noch lange in Rohrbach. . .

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