55 Jahre Elysée-Vertrag Die alten Freunde haben die Zukunft im Visier

Paris/Berlin · 55 Jahre nach dem Elysée-Vertrag bekräftigen beide Parlamente die deutsch-französische Partnerschaft. Für Misstöne sorgt die AfD.

 Teil eins des gemeinsamen Tages: Der Präsident der französischen Nationalversammlung, Francois de Rugy, sprach vormittags im Bundestag .

Teil eins des gemeinsamen Tages: Der Präsident der französischen Nationalversammlung, Francois de Rugy, sprach vormittags im Bundestag .

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Wolfgang Schäuble ist nicht nur ein überzeugter Europäer, sondern auch ein überzeugter Offenburger. Deshalb dauerte es nur eine Minute, bis der Bundestagspräsident von der CDU in seiner Rede gestern vor der französischen Nationalversammlung seinen Wahlkreis erwähnte. Als konkretes Beispiel des gelungenen Zusammenwachsens von Deutschland und Frankreich in den Grenzregionen. 55 Jahre nach der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags waren es gestern die Parlamente der beiden Länder, die das Jubiläum mit Debatten und einer gemeinsamen Erklärung würdigten. Darin fordern sie ein neues Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich noch in diesem Jahr. „Bei allem Stolz auf das Erreichte: Grund zur Selbstzufriedenheit haben wir nicht“, mahnte Schäuble auf Französisch vor den nur spärlich besetzten Bänken der Assemblée Nationale.

„Deshalb fordern wir die Regierungen unserer beiden Staaten auf, die Grundlagen des Elysée-Vertrags den veränderten Herausforderungen unserer Zeit anzupassen.“ Nur gemeinsam könnten diese Herausforderungen bewältigt werden. „Gemeinsam in Europa.“ Auf der Ehrentribüne verfolgte eine Delegation des Bundestags die zehnminütige Ansprache des 75-Jährigen. Am Morgen hatten umgekehrt im Bundestag auch französische Parlamentarier gesessen, als der Präsident der Nationalversammlung, François de Rugy, sich auf Deutsch an die Abordneten wandte.

De Rugy warnte vor den Gefahren durch Abschottung und Nationalismus in Europa. „Populismus und nationalistische Bewegungen bedrohen alle europäischen Nationen“, sagte er. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnte in der streckenweise emotionalen und kontroversen Debatte: „Europa wird nur eine gute Zukunft haben ohne Nationalismus.“ Die Resolution für eine Neuauflage des Elysée-Vertrags nahm der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und Grünen an. Die AfD und einige Mitglieder der Linken stimmten dagegen. Die Rechtspopulisten kritisierten die deutsch-französische Aktion als „Heuchelei“ und verweigerte Ehrengast die Rugy Beifall für seine Rede.

Auch in Paris gab es einen Zwischenfall. Mit harter Kritik an Schäuble störte der Linkspolitiker Eric Coquerel die deutsch-französische Harmonie. „Ich sage Präsident Schäuble ganz offen, dass ich die extrem harte Rolle nicht vergessen kann, die er bei der furchtbaren Erpressung des griechischen Volkes 2015 gespielt hat.“ Deutschland kritisierte der Abgeordnete als „Land der Ein-Euro-Jobs und der Rente mit 67“. Coquerels Partei stimmte gegen die gemeinsame Erklärung. Auch der rechtspopulistische Front National, für den Parteichefin Marine Le Pen die Debatte verfolgte, lehnte den Text ab. Kritik also von rechts und links – das gleiche Bild wie im Bundestag.

Das Dokument, das dennoch in beiden Ländern mit großer Mehrheit verabschiedet wurde, fordert einen neuen Elysée-Vertrag noch in diesem Jahr. Mit einem ganzen Katalog von Maßnahmen soll die deutsch-französische Zusammenarbeit gestärkt werden. Die Liste umfasst grenzüberschreitende Fahrradwege ebenso wie die Stärkung der Eurodistrikte, die Intensivierung des Sprachunterrichts und eine europäische Innovationsagentur. Die Parlamentarier unterstützen ausdrücklich die Idee des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, in Bürgerbefragungen den Europäern die EU wieder näher zu bringen. Auch de Rugy hatte vor dem Bundestag für diese Initiative geworben, die im Frühjahr beginnen soll. „Seit 20 Jahren verbreiten sich Misstrauen und Skepsis in der europäischen Öffentlichkeit. Wir brauchen neue Methoden“, forderte der Politiker von Macrons Partei La République en Marche. Europa könne nicht nur die Ambition einiger weniger Politiker sein.

Über das Bekenntnis des Tages und die Pläne, vor allem für die Grenzregionen, freute sich der saarländische Europa-Minister Stephan Toscani (CDU). Er vertrat das Saarland bei der Zeremonie im Bundestag. „Uns war sehr wichtig, an dieser Sondersitzung teilzunehmen“, sagte Toscani der SZ. Es sei darum gegangen, „als Saarland und engagierter Partner der deutsch-französischen Zusammenarbeit Flagge zu zeigen“.

 22. Januar 1963: Konrad Adenauer und Charles de Gaulle (r.) unterzeichnen im Pariser Elysée-Palast den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag.

22. Januar 1963: Konrad Adenauer und Charles de Gaulle (r.) unterzeichnen im Pariser Elysée-Palast den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag.

Foto: dpa

Mit dem Elysée-Vertrag hatten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer am 22. Januar 1963 die deutsch-französische Aussöhnung nach der langen „Erbfeindschaft“ besiegelt. Macron hatte in seiner Europarede an der Pariser Sorbonne im vergangenen Herbst ein neues Abkommen gefordert. Er setzt in seinen Plänen für eine „Neugründung“ Europas auf die enge Zusammenarbeit mit der Bundesregierung. „Europa soll uns mehr vereinen, wirkungsvoller sein, uns mehr schützen“, forderte Macron auch am Wochenende in einem Video mit Kanzlerin Angela Merkel, das bei Merkels Besuch am Freitag in Paris aufgezeichnet worden war. Und zwar im Salon Murat, wo vor 55 Jahren Charles de Gaulle und Konrad Adenauer den Elysée-Vertrag unterschrieben hatten.

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