Brexit-Verhandlungen „Die Briten mauern und verschleppen“

Brüssel · Brüssel ist genervt: Vier Tage lang verhandelte die EU wieder mit den Briten. Doch außer „guten Gesprächen“ gab es erneut keine Fortschritte.

 Es waren harte Verhandlungen: Großbritanniens Brexit-Minister David Davis (links) und Michel Barnier, der Beauftragte der EU-Kommission, in Brüssel.

Es waren harte Verhandlungen: Großbritanniens Brexit-Minister David Davis (links) und Michel Barnier, der Beauftragte der EU-Kommission, in Brüssel.

Foto: dpa/Geert Vanden Wijngaert

Der Ton der Brexit-Kontrahenten wird schärfer. Vier Tage lang hatten die europäischen und die britischen Unterhändler zusammengesessen. Nichts war nach außen gedrungen. Als die beiden Delegationschefs Michel Barnier (EU) und David Davis (Großbritannien) gestern an die Öffentlichkeit traten, wurde schnell deutlich, warum die „Geheimhaltung“ so gut funktioniert hatte: Es gab einfach nichts zu berichten. Der Ausstieg des Vereinigten Königreiches aus der EU gestaltet sich weitaus schwieriger als viele gehofft hatten. „Fundamentale Unterschiede“, konstatierte Barnier. „Wir werden Fortschritte von Runde zu Runde machen“, versprach Davis. Und da es wenig Inhaltliches zu berichten gab, beschrieben beide ausführlich „die gute und konstruktive Diskussion“. Die diplomatische Floskel bedeutet übersetzt so viel wie: Wir treten auf der Stelle.

Bei den Rechten der EU-Bürgern, die schon lange auf der Insel leben, gibt es zwar Übereinstimmung darüber, dass sie nicht hinauskomplimentiert werden. Aber die wirklich substanziellen Fragen, wie der Sozialversicherungsschutz zukünftig gestaltet wird oder wer ihre Rechte auf Dauer sichern soll, herrschen elementare Meinungsunterschiede. Dabei stellte Barnier noch einmal klar: Die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes auch für die EU-Bürger, die in Großbritannien leben, sei eine „juristische und keine politische Sache“. Der EuGH sei allein für die Auslegung des europäischen Rechtes zuständig. „Das kann ein anderes Gericht mangels Zuständigkeit nicht.“

Bei den finanziellen Verpflichtungen Londons tritt man ebenfalls auf der Stelle. Zwar hatte London vor einigen Tagen grundsätzlich akzeptiert, dass es für eingegangene Zusagen geradestehen müsse. Dabei beließ die Regierung es bisher. „Wann wollen Sie den britischen Wählern denn sagen, dass der Brexit zwei- oder gar dreistellige Milliardenbeträge kosten wird?“, wurde der britische Minister gefragt. Er wand sich heraus. Zuerst gehe es darum, dass man sich auf die konkreten Verpflichtungen einige.

Auch beim dritten heißen Eisen, der künftigen Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland blieb es bei nebulösen Absichtserklärungen. Davis: „Es gibt noch viel zu besprechen.“

Die Unzufriedenheit ist vor allem auf europäischer Seite groß. „Die Briten mauern, verzögern und verschleppen“, hieß es hinter den Kulissen. Das vielsagende Foto des ersten Zusammentreffens der Chefunterhändler vom Montag sei durchaus charakteristisch: Barnier saß vor einem dicken Aktenstapel auf dem Tisch, Davis hatte nicht einmal ein Blatt vor sich. Dass der Brite am Montag nach der mehr oder minder nichtssagenden Eröffnung der Gespräche gleich wieder nach London reiste und seine 98-köpfige Expertengruppe allein ließ, kam nicht nur bei den EU-Vertretern schlecht an. Ob er es für richtig halte, wenn der für den Brexit zuständige Minister den Gesprächen in Brüssel fernbleibe, wurde er gefragt. „Ich muss nicht immer anwesend sein“, antwortete Davis. Barnier schaute angesäuert in die Ferne. Der Hintergrund: Davis gilt im längst angelaufenen Rennen um eine mögliche Nachfolge der angeschlagenen Premierministerin Theresa May als einer von drei potenziellen Kandidaten. Beim internen Machtpoker zu Hause mochte er nicht fehlen.

Barnier jedenfalls wiederholte sein politisches Mantra: „Wir wollen einen geordneten Austritt.“ Wie der allerdings bis zum Herbst nächsten Jahres geschafft werden soll, ist derzeit nicht erkennbar. Denn bis dahin muss eine Vereinbarung vorliegen, die noch vom EU-Parlament, den nationalen Volksvertretungen aller 27 EU-Staaten und vom britischen Unterhaus gebilligt werden muss.

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