Herkunftssichere Staaten „Die Länder als sicher einzustufen, ist kurzsichtig“

Berlin · Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion erläutert die Gründe für den Widerstand ihrer Partei gegen den Gesetzentwurf.

 Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion

Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion

Foto: dpa/Daniel Reinhardt

Die Grünen lehnen den Gesetzentwurf von Innenminister Horst Seehofer (CSU) ab, mit dem Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien als sichere Herkunftsländer ausgewiesen werden sollen. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Fraktion, Luise Amtsberg, erklärt die Gründe.

Frau Amtsberg, warum sperren sich die Grünen dagegen, die Maghreb-Staaten und Georgien als sicher auszuweisen?

AMTSBERG Das Mittel des sicheren Herkunftsstaates ist kein gutes. Denn durch diese pauschale Beurteilung wird der Asylantrag nicht mehr unvoreingenommen geprüft. Aber die Anerkennungsquote von Asylsuchenden aus diesen Ländern ist ohnehin sehr gering.

Aber die Anerkennungsquote von Asylsuchenden aus diesen Ländern ist ohnehin sehr gering.

AMTSBERG So argumentiert die Bundesregierung auch. Aber das Argument ist krude. Denn da, wo Verfolgung und Gewalt nicht so offen zutage tritt wie beispielsweise in Syrien, muss doch intensiver und nicht weniger geprüft werden. Das geschieht aber nicht, weil durch die Einstufung des Landes als „sicher“ die Verfahren verkürzt und die Rechtsmittel beschränkt werden. Für uns ist klar: Um Flucht aus den Ländern zu verhindern, braucht es Abkommen auf Augenhöhe, die die Menschenrechtsdefizite in diesen Ländern beseitigen.

Solche Abkommen zu schließen, dauert und ist aufwendig.

AMTSBERG Das stimmt. Aber dieser Weg ist nachhaltiger. Wer Tunesien zum Beispiel als sicher einstuft, gibt dem Land einen menschenrechtlichen Blankoscheck und zerstört damit das Engagement der Zivilgesellschaft für mehr Rechtsstaatlichkeit. Tunesien hat viel erreicht in den letzten Jahren, gänzlich sicher ist es aber nicht.

Das Auswärtige Amt kommt zu anderen Ergebnissen.

AMTSBERG Das Bundesverfassungsgericht sagt klar: Im ganzen Land muss für alle gesellschaftlichen Gruppen Verfolgungsfreiheit bestehen. Dem ist nicht so. Homosexualität steht in Tunesien unter Strafe, und Marokko erkennt die Unabhängigkeit der Westsahara nicht an. All das ignoriert die Bundesregierung. Wenn man alle menschrechtlichen Quellen wie die von Amnesty oder dem UNHCR mit einbezieht, kommt man zu einer anderen Einschätzung.

Aber kommen die Menschen aus diesen Ländern nicht vor allem aus ökonomischen Gründen?

AMTSBERG Sicher gibt es auch Menschen, die aus ökonomischen Gründen ihre Heimat verlassen. Die Perspektivlosigkeit von jungen Leuten in den Maghreb-Staaten ist groß. Aber darüber entscheidet ein Asylverfahren. Was es vielmehr braucht, sind ehrliche außenpolitische Bemühungen der Bundesregierung. Die Länder einfach als sicher einzustufen, ist egoistisch und extrem kurzsichtig, weil es an der Lage vor Ort nichts ändert.

Innenminister Seehofer hat ihrer Partei eine Brücke gebaut, in dem Personen mit Ausbildungs- und Arbeitsvertrag bleiben dürfen. Reicht das nicht?

AMTSBERG Nein. Und erst recht werden uns solche vergifteten Geschenke nicht dazu bewegen, das Asylrecht zu schleifen. Im Bundestag wird dieses Gesetz aber leider eine Mehrheit finden. Die Grünen haben allerdings die Chance, es im Bundesrat zu verhindern. Bisher sieht es danach aus, dass dies auch gelingt.

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