Zum Tod von Bocuse Drei Sterne, drei Frauen, eine Legende – „Monsieur Paul“ ist tot

Paris · Frankreich trauert um Bocuse, den Meisterkoch. Der Küchenpapst machte sich und die „Nouvelle Cuisine“ weltberühmt. Privat war das Genie durchaus ein Filou.

„Ich habe drei Sterne, drei Bypässe und drei Frauen.“ Mit diesem Satz fasste Paul Bocuse im Jahr 2006 sein wildes Leben zusammen. Vor allem die Sterne prägten den lebensfrohen Jahrhundertkoch, der am Samstag im Alter von 91 Jahren gestorben ist. Und zwar genau in dem Haus, in dem er auch geboren wurde: in der legendären Auberge du Pont de Collonges bei Lyon. Ein Gourmet-Tempel, der seit mehr als 50 Jahren ununterbrochen drei Sterne im renommierten Restaurantführer „Guide Michelin“ hat. Und das dank „Monsieur Paul“, der hier in den 1950er Jahren die Küche revolutionierte.

Sein Geheimnis: regionale Produkte, frische Zutaten, einfache Rezepte ohne Schnickschnack. Doch Bocuse war mehr als nur ein Koch. Er wurde als erster Küchenchef auch zum Medienstar. Kochbücher wie sein Bestseller „Die neue Küche“, Fernsehsendungen und öffentliche Auftritte machten den Franzosen weltbekannt. Selbstbewusst holte der Meister die Köche aus ihrer Anonymität hinter dem Herd. Mit seiner weißen Haube und dem blau-weiß-roten Orden des „Meilleur Ouvrier de France“ um den Hals begrüßte er jahrzehntelang seine Gäste, um ihnen die Feinheiten seiner Rezepte zu verraten.

Auch wenn er als Vater der „Nouvelle Cuisine“ gilt, vom minimalistischen Trend seiner Erben hielt der Küchenchef nichts: „Die Nouvelle Cuisine, das ist nichts auf dem Teller und alles auf der Rechnung“, lautete eines seiner Bonmots. Bocuse setzte stattdessen auf Großzügigkeit und auf die Sinnlichkeit des Kochens. „Ein Fleischthermometer? Ich ziehe die Zeit vor, als man die Garzeit erfühlen musste, die Wärme des Ofens spüren. Die Geste, der Instinkt – das ist die schöne Dimension unseres Berufes“, verriet er einmal der Zeitschrift „Figaro Madame“. Auch in seinen Rezepten blieb Bocuse bodenständig: Zwiebelsuppe, Hasenrücken, Mousse au chocolat. Eine klassische Küche mit viel Sahne, Butter und Wein. „Diese Küche von weither, wo man erklären muss, was auf dem Teller liegt und sogar in welcher Reihenfolge man es essen muss: Das ist nicht meine Sache.“

Schon mit 15 begann „Monsieur Paul“ seine Lehre als Koch, die ihn nach dem Krieg ins väterliche Restaurant in Collonges brachte. 1958, als er noch mit seinem Vater zusammen arbeitete, bekam er bereits seinen ersten Stern. In der Küche des heute in knalligem rot und grün gestrichenen Etablissements erfand er auch einige seiner legendären Gerichte. Zum Beispiel Geflügelfrikassee mit Morcheln, Seezunge mit Nudeln und die berühmte schwarze Trüffelsuppe, die er 1975 für den damaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing kreierte. Von ihm wurde er auch in die Ehrenlegion aufgenommen – eine der vielen Auszeichnungen im Leben des weltberühmten Sternekochs.

Die Weitergabe seiner Kochkunst war eines von Bocuses Hauptanliegen. Deshalb schuf er das Institut Paul Bocuse und 1987 den weltweit bekanntesten Kochwettbewerb „Bocuse d’Or“. Um den kümmerte sich seit der Parkinson-Erkrankung des Meisterkochs dessen Sohn Jérôme, der aus der Beziehung mit seiner Lebensgefährtin Raymone stammt. Bis zu seinem Lebensende hatte Bocuse drei Frauen: Raymone, seine Ehefrau Raymonde, mit der er eine Tochter hat, und Patricia, die sich um die Kommunikation seines Kochimperiums kümmert. „Eine zum Mittagessen, eine zum Tee und eine zum Abendessen“, scherzte er einmal. In seiner Biographie, die seine Stieftochter Eve-Marie Zizza 2005 schrieb, kommentierte der Sternekoch sein Privatleben mit mehr Ernst: „Ich bedauere nichts außer vielleicht dem Schmerz, den ich den Frauen in meinem Leben angetan habe. Ich hoffe, sie werden mir verzeihen.“

Die Franzosen haben Bocuse seinen unkonventionellen Lebensstil schon lange verziehen. Sie strömten nach seinem Tod am Samstagabend in sein legendäres Restaurant an der Saône. Die Auberge war wie immer voll belegt. Bocuses kulinarische Erben wollen, dass das Leben weiter geht – mit gutem Essen. Ganz im Sinne von „Monsieur Paul“.

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