Carles Puigdemont Eine Auslieferung mit Hindernissen

Madrid/Schleswig · Die deutsche Justiz hat entschieden: Separatistenführer Carles Puigdemont darf an Spanien ausgeliefert werden – doch Madrid hat andere Pläne.

 Kataloniens Ex-Regierungschef Puigdemont nach seiner Freilassung aus der JVA Neumünster. Jetzt muss sich Spaniens Justiz wieder mit ihm befassen.

Kataloniens Ex-Regierungschef Puigdemont nach seiner Freilassung aus der JVA Neumünster. Jetzt muss sich Spaniens Justiz wieder mit ihm befassen.

Foto: dpa/Axel Heimken

Viel Jubel gab es gestern nicht. Verständlich, denn die Entscheidung der deutschen Justiz, die Auslieferung von Separatistenführer Carles Puigdemont wegen des Verdachts der Veruntreuung für zulässig zu erklären, könnte den Befürwortern einer Abspaltung von Spanien sogar in die Hände spielen. Bei einer Überstellung würde der 55-Jährige nicht wegen des Hauptvorwurfs der spanischen Justiz, der Rebellion, auf der Anklagebank landen können.

Doch dazu wird es vermutlich gar nicht erst kommen: Wie spanische Medien am Abend berichteten, wird das Oberste Gericht Spaniens das Urteil aus Schleswig-Holstein nicht akzeptieren. Der zuständige Richter Pablo Llarena habe sich bereits für eine Rücknahme des europäischen Haftbefehls gegen Puigdemont entschieden, berichtete die Zeitung „El Mundo“ gestern unter Berufung auf „dem Gericht nahestehende Quellen“. Eine offizielle Stellungnahme gab es zunächst nicht. „El Mundo“ schreibt, Richter Llarena erwäge nun zwei mögliche Reaktionen auf die Entscheidung: Die Rücknahme des Haftbefehls ohne weitere Maßnahmen oder aber mit einer gleichzeitigen Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. Auch die Zeitung „El País“ berichtete am Abend, dass das Gericht noch mehrere Optionen prüfe. Die Reaktion aus Madrid ist wenig überraschend: Viele haben sich unmittelbar nach der Bekanntgabe der deutschen Entscheidung gefragt, ob es denn möglich sei, dass Puigdemont nur wegen Veruntreuung der Prozess gemacht wird, während die in U-Haft sitzenden „Gehilfen“ des Ex-Regionalchefs wegen Rebellion vor Gericht kommen und zu Haftstrafen von bis zu 30 Jahren verurteilt werden. Das hielten etliche Medien-Kommentatoren für unmöglich. „Völlig ausgeschlossen“, wie ein Sprecher des Gerichts in Madrid gestern betonte, ist auch die Option, dass die spanische Justiz das Urteil aus Deutschland einfach ignoriert.

Die Madrider Justiz bestätigte Ende Juni die Eröffnung von Prozessen gegen Puigdemont und 14 weitere separatistische Politiker wegen Rebellion, Veruntreuung und zivilen Ungehorsams. Inzwischen ist Spanien jedoch politisch ein ganz anderes Land, als das, welches Puigdemont Ende Oktober 2017 in einer Nacht- und Nebelaktion verlassen hatte. Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy, der jeden Dialog mit den Separatisten verweigerte, wurde Anfang Juni von Sozialistenführer Pedro Sánchez per Misstrauensvotum gestürzt. Sánchez, der gegenüber den Separatisten versöhnliche Töne anschlägt, empfing den neuen katalanischen Regionalchef Quim Torra erst vor wenigen Tagen im Regierungspalast. Die Bilanz, bestätigten beide Seiten, sei positiv gewesen.

Während einige Medien die deutsche Justiz scharf kritisieren, finden die Separatisten lobende Worte: „Ich freue mich sehr für Präsident Puigdemont, weil dies einmal mehr die Irrtümer und Lügen eines juristischen Verfahrens aufzeigt, das es überhaupt niemals hätte geben dürfen“, schreibt Torra auf Twitter.

Puigdemont, der sich im Herbst 2017 im Zuge des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums zunächst nach Brüssel abgesetzt hatte, war am 25. März nahe der dänischen Grenze an einer Autobahnraststätte festgenommen worden. Später kam er unter Auflagen auf freien Fuß.

Die Generalstaatsanwaltschaft wird den Beschluss des Oberlandesgerichts voraussichtlich in den kommenden Tagen billigen. Puigdemonts Anwälte kündigten derweil Einspruch beim Bundesverfassungsgericht an.

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