NGO-Gelder in der Kritik EU finanziert Lobbyismus gegen eigene Projekte mit

Brüssel · Auf dem Brüsseler Parkett werden ständig große Lobbyschlachten ausgetragen. Zuletzt etwa, als es darum ging, verbindliche Grenzwerte für den Spritverbrauch von Autos bis zum Jahr 2030 festzulegen.

Während es auf Profit orientierten Unternehmen in der Regel nicht schwerfällt, die finanziellen Mittel locker zu machen, um die aus ihrer Sicht wichtigen Argumente den Gesetzgebern zu Gehör zu bringen, war es vor Jahrzehnten noch so, dass etwa die Umwelt keine Lobby hatte. In anderen wichtigen Belangen wie etwa der Entwicklungshilfe und bei humanitären Fragen sah es ähnlich aus.

Daher hat sich die EU entschieden, für ein gewisses Gegengewicht zu sorgen. Die EU-Kommission unterstützt Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit namhaften Beiträgen bei ihrer Arbeit. Allein zwischen 2014 und 2017 flossen nach Erkenntnissen des EU-Rechnungshofes über 11 Milliarden Euro an NGOs. Inzwischen sind mächtige Lobbyverbände entstanden, die über beste Kontakte in die Kommission und ins Parlament verfügen. Ihr Einfluss auf die Gesetzgebung ist nicht zu unterschätzen. Da sie auch Projekte für die EU-Kommission erledigen, haben sie exzellente Gesprächskanäle zu den Kommissionsbeamten und sind vielfach über Gesetzgebungsvorschläge früher informiert als die Lobbyisten der Industrie.

Der Europäische Rechnungshof kritisiert nun die Art und Weise der Finanzierung der NGOs durch die EU-Kommission in einem Sonderbericht, der Ende Januar im Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments vorgestellt werden soll. Das System der Einstufung von Organisationen als NGO sei nicht verlässlich. Die Kommission verfüge auch nicht über die notwendigen Informationen, wie die Mittel verwendet werden.

Bei der NGO-Finanzierung durch die EU-Kommission ist vielfach unklar, bei welcher Adresse die Gelder schließlich landen. So schließen sich die NGOs aus den einzelnen Mitgliedstaaten auf EU-Ebene gewöhnlich zu Dachorganisationen zusammen. Der Antrag für eine Projektförderung kommt dann von der Brüsseler Dachorganisation, die das Geld weiterleitet an Partner in den Mitgliedstaaten. Ein Beispiel: Die große Dachorganisation von NGOs im Umweltbereich auf Brüsseler Parkett heißt „Transport and Environment“ („T+E“). Im Rahmen des EU-Programms Life hat T+E 2016 und 2017 Hilfe von 975 000 Euro von der EU-Kommission für ein Projekt bekommen, das insgesamt ein Volumen von knapp 5 Millionen Euro hat. Die Deutsche Umwelthilfe ist in Brüssel Mitglied bei T+E. Unter dem T+E-Dach hat sich die DUH in der Vergangenheit etwa am Projekt „Cleanair“ beteiligt. Die Förderung hat einen direkten Bezug zur aktuellen Debatte um Fahrverbote in deutschen Städten: Dabei wurden Workshops abgehalten, um Bürger und Organisationen juristisch zu schulen, damit sie vor Gericht besonders effektiv für das Recht auf saubere Luft kämpfen können. Mit EU-Geldern wurden auch Kampag­nen gegen das von der EU geplante Freihandelsabkommen TTIP finanziert, wie der Europaabgeordnete Markus Pieper (CDU) berichtet.

Wo viel Geld im Spiel ist, geht es nicht ohne Transparenz. Es muss glasklar sein, welche Organisation aus Brüssel Geld bekommt. Es ist nicht einzusehen, dass an die Geldzahlungen, von denen auch Lobbytruppen wie die Umwelthilfe profitieren, andere, weniger strenge Maßstäbe angelegt werden als etwa an die Auszahlung von Strukturfondsmitteln in Rumänien. Zudem ist es richtig, wenn das Europaparlament seinen Blick auf die inhaltliche Ausrichtung der EU-finanzierten Lobbyarbeit schärft: Ist es wirklich im Interesse des Steuerzahlers, wenn mit EU-Geldern Kampagnen finanziert werden, die auf die Durchsetzung von Fahrverboten in den Innenstädten hinauslaufen? Zweifel sind angebracht.

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