Brexit-Frage May auf Brexit-Werbetour in Berlin und Paris

London/Berlin · Die Britin sucht Rückendeckung bei Kanzlerin Merkel und Präsident Macron. Derweil stehen die Zeichen vor dem EU-Gipfel auf Verlängerung.

Gestern besuchte die britische Premierministerin Theresa May erst Kanzlerin Angela Merkel, dann Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Gestern besuchte die britische Premierministerin Theresa May erst Kanzlerin Angela Merkel, dann Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Foto: AP/Markus Schreiber

Die Zeit wird knapp für Theresa May. Einen Tag vor dem EU-Sondergipfel und drei Tage vor dem Brexit-Datum ist sie auf Werbetour für eine zweite Fristverlängerung. Vielleicht hat sie es deswegen so eilig, dass sie ein paar Minuten zu früh bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Matte steht. Oder vielmehr auf dem roten Teppich vor dem Kanzleramt. Noch keiner da –- also geht May schon mal rein. Um Punkt 12 kommt die Kanzlerin dazu, nach einer herzlichen Begrüßung gehen die beiden nochmal kurz raus für die wichtigen Händedruck-Fotos. Was in den eineinhalb Stunden danach besprochen wird, bleibt erst mal geheim. Später verlautet aus einer Sitzung der Unionsfraktion, dass Merkel wohl eine Brexit-Verschiebung bis Ende 2019 oder Anfang 2020 für möglich hält.

Nach Berlin schaut May noch bei Präsident Emmanuel Macron in Paris vorbei, der einem erneuten Brexit-Aufschub indes besonders kritisch gegenübersteht, man akzeptiere ihn nur unter „strikten Bedingungen“. Die EU könne nicht dauerhaft „Geisel“ einer politischen Krisenlösung in London sein, hatte er kürzlich erklärt. Unterdessen dringt aus Luxemburg aber bereits die Nachricht nach London, dass die EU-Staaten offenbar grundsätzlich bereit sind, Großbritannien einen weiteren Brexit-Aufschub zu gewähren. Über Dauer und Bedingungen werde aber noch geredet, hieß es nach einem Ministertreffen.

Zumindest eines ist schon klar: Wenn May sich diesen Mittwoch in Brüssel mit den Staats- und Regierungschefs der 27 übrigen EU-Staaten trifft, wird eine Entscheidung fallen. Und sie wird weitreichende Konsequenzen haben. Dabei sind mehrere Optionen möglich.

Der Gipfelbeschluss in Brüssel muss einstimmig fallen. Sagt auch nur einer aus der inzwischen reichlich genervten 27er-Runde Nein, ist ein Chaos-Brexit am Freitag um Mitternacht mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft und andere Lebensbereiche kaum noch zu verhindern – es sei denn, der Brexit-Deal, den May mit der EU ausgehandelt hatte, wird in London vor Fristablauf kurzfristig doch noch abgesegnet. Doch dass das heillos zerstrittene britische Parlament das in letzter Minute noch schaffen könnte, glaubt kaum mehr jemand. Schließlich hat das Unterhaus schon dreimal „No“ gesagt.

Die Regierung verhandelt seit vergangener Woche mit der Labour-Opposition, um trotz der vielen Abweichler in den eigenen Reihen auch eine Mehrheit für den Brexit-Deal zu bekommen. Die EU hatte klargemacht, eine Verlängerung sei nur drin, wenn Großbritannien einen glaubhaften und nachvollziehbaren Weg aufzeichnen kann, wie der Austritt geordnet vonstatten gehen soll. Und es gibt noch eine rote Linie: Es kommt für die EU-Seite nicht in Frage, den fast 600 Seiten dicken  Brexit-Vertrag nochmals aufzuschnüren. Anders ist das bei der politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen – die ließe sich wohl relativ zügig überarbeiten.

May will die Verlängerung möglichst kurz halten und hat deshalb bei der EU nur um zweieinhalb Monate mehr bis zum 30. Juni gebeten. Immerhin stimmte das britische Parlament gestern Abend dieser Bitte zu. Der Antrag der Regierung zur Fristverlängerung bis zum 30. Juni bekam im Unterhaus eine große Mehrheit von 420 zu 110 Stimmen. Wenn auch die EU dem zustimmt, müssen die Briten die Teilnahme an der Europawahl zumindest vorbereiten. Mays Kalkül: Gelingt vor dem ersten Wahltag am 23. Mai doch noch der Befreiungsschlag, könnte London die Wahl kurzfristig abblasen.

EU-Ratschef Donald Tusk hat einen ganz anderen Plan. Aus seiner Sicht würde eine kurze Verlängerung die Gefahr bergen, dass womöglich bald wieder über eine nochmalige Verlängerung entschieden werden muss. Er schlägt deshalb ein flexibles Modell vor: Die Briten sollen bis zu zwölf Monate bekommen, um einen Kompromiss zu schmieden, der für alle Seiten tragbar ist. Wenn es früher klappt, dürfen sie früher gehen. Gestern gab es Spekulationen, dass die EU-Staaten eine Deadline bis Ende 2019 anbieten könnten.

 Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit der britischen Premierministerin Theresa May

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit der britischen Premierministerin Theresa May

Foto: AP/Francois Mori

Die Hängepartie ginge dann wohl noch lange weiter. Die Vorstellung, dass die Briten an der Europawahl am 23. Mai teilnehmen, schmeckt auch vielen in der EU nicht. Die Briten könnten dann weiter über die EU-Finanzen mitentscheiden. Brexiteers haben bereits Blockaden angekündigt.

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