Gesetz gegen sexuelle Gewalt Frankreich sagt Macho-Sprüchen den Kampf an

Paris · Das Parlament debattiert über ein neues Gesetz gegen sexuelle Gewalt. So soll grobe Anmache auf der Straße künftig mit bis zu 750 Euro bestraft werden.

 Polizeipräsenz soll in Frankreich künftig helfen, sexistische Vorfälle auf offener Straße zu vermeiden. Kritiker bezweifeln, dass das Wirkung hat.

Polizeipräsenz soll in Frankreich künftig helfen, sexistische Vorfälle auf offener Straße zu vermeiden. Kritiker bezweifeln, dass das Wirkung hat.

Foto: Peter Kneffel/dpa/Peter Kneffel

Die Sex-Affäre um Harvey Weinstein ist ein gutes halbes Jahr her, doch die Wellen schlagen immer noch hoch. Vor allem in Frankreich, wo die Nationalversammlung seit Montag über ein Gesetz gegen sexuelle Gewalt debattiert. Eingebracht von der Frauen-Staatssekretärin Marlène Schiappa, einer Ikone der französischen #MeToo-Bewegung. Schon bevor der Weinstein-Skandal hochkam, hatte die 35-Jährige eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit dem heiklen Thema der Belästigung von Frauen auf der Straße befasste. „Acht von zehn Frauen haben Angst, wenn sie nachts raus gehen“, begründet Schiappa ihren Vorstoß.

Ihr Gesetz soll nun den Frauen mehr Sicherheit geben, denn grobe Anmache auf öffentlichen Plätzen soll künftig mit einer Geldbuße zwischen 90 und 750 Euro bestraft werden. Bis zu 10 000 neu eingestellte Streifenpolizisten sollen vor allem in Bahnhöfen und Regionalzügen aufpassen, dass es keine sexistischen Beleidigungen und Übergriffe mehr gibt. Wer von den Beamten auf frischer Tat ertappt wird, muss zahlen. „Sobald jemand verurteilt wurde, wird das eine pädagogische Wirkung haben“, fordert Schiappa.

Was sich in der Theorie gut anhört, ist in der Praxis allerdings schwierig. Denn kaum eine Frau wird auf der Straße belästigt, wenn ein Polizist direkt daneben steht. Und bis das Opfer einen Beamten gesucht hat, um den Fall anzuzeigen, ist der Täter längst über alle Berge. Außerdem ist die französische Polizei bisher nicht besonders sensibel für die Beschwerden der Frauen, von denen rund 60 Prozent abgewiesen werden. „Wir fürchten, dass dieses Gesetz nur ein Werkzeug der politischen Kommunikation ist, das im Leben der Opfer keine echte Veränderung bringt“, kritisieren Aktivistengruppen.

Ganz in die falsche Richtung geht das Gesetz auch für die Schauspielerin Catherine Deneuve – allerdings aus einem anderen Grund. „Hartnäckige oder ungeschickte Flirterei ist kein Delikt“, schrieb sie zusammen mit rund 100 anderen Frauen im Januar in einem Zeitungsbeitrag. Sexuelle Belästigung in den Verkehrsmitteln ist für die Filmdiva lediglich eine Bagatelle. „Eine Frau kann darauf achten, dass ihr Gehalt so hoch ist wie das eines Mannes, sich aber nicht durch einen Mann traumatisiert fühlen, der sich in der Metro an ihr reibt. Sie kann es sogar als Ausdruck einer großen sexuellen Misere sehen, als ein Nicht-Ereignis“, heißt es in dem Text, der einen Aufschrei der Empörung auslöste.

Auch wenn sich „la Deneuve“ hinterher bei allen Opfern sexueller Gewalt entschuldigte, bleibt sie doch Vertreterin einer alten Schule, die Anmache als Teil des legendären französischen Charmes sieht. Genau das Gegenteil der fast 40 Jahre jüngeren Schiappa. Doch auch der Text der Staatssekretärin, der die Verjährungsfristen verlängert und die Belästigung im Internet bestraft, enttäuscht die Frauenrechtlerinnen. „Der Berg von #MeToo gebiert eine Maus“, kritisiert Clémentine Autain von der Linksaußen-Partei. Sie meint damit vor allem den Artikel, der ein Mindestalter für einvernehmlichen Sex festlegen sollte, wie es etwa in Deutschland üblich ist. Anlass war der Missbrauch einer Elfjährigen durch einen 17 Jahre älteren Mann, bei dem die Justiz von Einvernehmlichkeit ausgegangen war. Ein Mindestalter von 15, was Präsident Emmanuel Macron gefordert hatte, hätte solche Fehl­entscheidungen verhindert. Doch nachdem der Staatsrat Schiappas ersten Vorschlag kritisiert hatte, verwässerte sie ihren Entwurf. Der öffnet nun eine juristische Hintertür, um Vergewaltigung nicht als Verbrechen, sondern lediglich als einfaches Vergehen zu ahnden. Mehr als 200 Prominente schrieben daraufhin an Macron, den umstrittenen Artikel zurückzuziehen. Unterstützt werden sie von einer Internet-Petition, die schon mehr als 92 000 Unterschriften hat. Hashtag: Vergewaltigung ist ein Verbrechen.

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