Jemen-Friedensgespräche Kleiner Lichtblick im Schatten des Krieges

Stockholm/Sanaa · Die Bomben haben den Jemen bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet. Kinder hungern, ein Volk stirbt. Die Hoffnung ruht nun auf Gesprächen im fernen Schweden.

Hunger, Leid und Isolation: Umm Mizrah, eine 25-jährige Jemenitin, hält ihren Sohn Mizrah im Al-Sadaqa-Krankenhaus in der südjemenitischen Stadt Aden im Arm. Vier Jahre schon dauert der Bürgerkrieg im Jemen an.

Hunger, Leid und Isolation: Umm Mizrah, eine 25-jährige Jemenitin, hält ihren Sohn Mizrah im Al-Sadaqa-Krankenhaus in der südjemenitischen Stadt Aden im Arm. Vier Jahre schon dauert der Bürgerkrieg im Jemen an.

Foto: dpa/Nariman El-Mofty

Lange schien es vergessen, dieses Leid, dieses weit entfernte Elend. Der gestrige Tag hat die Katastrophe im Jemen wieder ins Bewusstsein gerückt. Und diesmal ist etwas anders. Diesmal schimmert erstmals Hoffnung auf. Echte Hoffnung auf Frieden.

Das Schloss Johannesberg mit seinen herrschaftlichen Sälen und dem gepflegten Parkett steht im krassen Gegensatz zur Not im Bürgerkriegsland auf der arabischen Halbinsel. Und doch sitzen sich hier, nördlich von Stockholm, gestern zum ersten Mal seit Jahren die 24 Menschen gegenüber, die den Grundstein für Frieden im Jemen legen könnten.

Zwischen den beiden Delegationen, die fast ausschließlich aus Männern bestehen, hat UN-Vermittler Martin Griffiths Platz genommen. Der britische Diplomat spricht zum Beginn der lange ersehnten Friedensgespräche im Örtchen Rimbo von einem „Meilenstein“, weiß aber auch: Ein Ende des Leids verlangt riesige Anstrengungen.

Denn das Chaos in dem Land, in dem Familien in den vergangenen vier Jahren vom Krieg zerrissen wurden, Kinder verhungerten oder an Seuchen starben, ist unvorstellbar. Mohammed Ismail ist eines dieser Opfer, die heute auf die über 5000 Kilometer entfernten Gespräche in der grünen Idylle schauen. Der Beamte aus der Hauptstadt Sanaa wird schon lange nicht mehr für seine Arbeit bezahlt. Wie er seine Familie mit Taxifahren durchbringen soll, weiß er oft selbst nicht. Trotzdem ist er hoffnungsvoll: „Es gibt großen Optimismus dieses Mal.“

Es ist diese Hoffnung, von der die Menschen im Jemen zehren. Denn Millionen haben sonst nichts anderes mehr. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung sind nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. In vielen Regionen wurde die Infrastruktur zerstört, Krankenhäuser existieren dort nicht mehr. In den vergangenen knapp vier Jahren starben in dem Konflikt nach UN-Angaben allein etwa 10 000 Zivilisten.

Viele der Unbeteiligten starben im Bombenhagel einer von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition. Das Bündnis ließ den Konflikt 2015 eskalieren, nachdem die Huthi-Rebellen weite Teile des Landes überrannt und die international anerkannte Regierung unter dem schwachen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi ins Exil gejagt hatten. Riad fürchtet die Rebellen an seiner Grenze, weil diese von seinem Erzfeind Iran unterstützt werden.

Dieses in den vergangenen Jahren tief verankerte Misstrauen versucht UN-Vermittler Griffiths gestern auch mit Humor aufzulockern: „Noch drei Minuten, wurde mir gesagt, bis zum Frieden im Jemen!“, scherzt er vor Journalisten. Sagt aber auch: „Ich will nicht übermäßig optimistisch sein, aber ich will übermäßig ambitioniert sein.“ Zunächst solle das Vertrauen zwischen den Kontrahenten hergestellt werden. Vorstellungen über eine Nachkriegsordnung werden höchstens angerissen. Nach einigen Entspannungssignalen in den vergangenen Wochen wartet Griffiths nun mit der ersten formellen Einigung zwischen den Konfliktparteien auf: einem umfassenden Austausch von Gefangenen. „Dies wird dazu führen, dass Tausende Familien wieder vereint sind“, erklärt er, lässt aber offen, wann der Austausch stattfinden könnte.

Die Gespräche finden zunächst nur in getrennten Räumen indirekt statt. Ein Knackpunkt wird in den kommenden Tagen wohl die Lage in der umkämpften Küstenstadt Hudaida sein. Die Regierung pocht auf eine Übergabe der strategisch wichtigen Stadt, die Huthis wollen nicht aufgeben. Am Hafen Hudaidas hängt die Versorgung von Millionen Menschen.

Dass vor allem die USA ihren engen Verbündeten Saudi-Arabien und damit auch die jemenitische Regierung an den Verhandlungstisch drängten, hängt auch mit dem Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi zusammen. Die Affäre hat Saudi-Arabien in die Defensive gedrängt und Washington unter Zugzwang gesetzt, die Interventionspolitik des engen Verbündeten einzuhegen.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) warnt gestern vor einer humanitären Katastrophe, falls die Gespräche in Schweden scheitern sollten. Das Welternährungsprogramms (WFP) kündigt an, seine Nahrungsmittellieferungen aufzustocken.

Mit dem bevorstehenden Austausch der Kriegsgefangenen ist der Start der mehrtägigen Jemen-Friedensgespräche geschafft. An ihnen hängt das Schicksal eines ganzen Volkes.

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