Theresa May Keine Ruhe nach dem Putschversuch

London · Die britische Premierministerin Theresa May hat das Misstrauensvotum zwar überstanden, die Kritik aber will nicht abreißen.

  Theresa May gestern in Brüssel beim Medien-Gespräch. Die britische Premierministerin hat einige harte Tage hinter sich – am Mittwoch musste sie daheim ein Misstrauensvotum abwehren. Und eine Ruhepause ist nicht in Sicht.

Theresa May gestern in Brüssel beim Medien-Gespräch. Die britische Premierministerin hat einige harte Tage hinter sich – am Mittwoch musste sie daheim ein Misstrauensvotum abwehren. Und eine Ruhepause ist nicht in Sicht.

Foto: AP/Francisco Seco

Als Theresa May nach diesem dramatischen Mittwoch den Tag endlich für beendet erklären durfte; als sie am späten Abend zumindest auf dem Papier noch immer Premierministerin des Vereinigten Königreichs war – da gönnte sie sich, so ist es überliefert, zwei Gläser Rotwein zur Entspannung. Dazu genügten ihr Chips als Abendmahl. Viel Zeit zur Erholung blieb der Regierungschefin nach dem abgewehrten Putschversuch ihrer rebellischen Hinterbänkler nämlich nicht. Gestern schon reiste sie zum Gipfel nach Brüssel, um der EU weitere Zugeständnisse beim auf der Insel umstrittenen Austrittsabkommen abzuringen.

Immerhin konnte sie so zumindest für eine Weile der Kritik entkommen, die auch nach dem von ihr gewonnenen Misstrauensvotum nicht abreißen wollte. 113 konservative Abgeordnete und damit mehr als ein Drittel der Fraktion entzogen ihr das Vertrauen. 200 sprachen May der Premierministerin ihre Unterstützung aus. Dementsprechend trüb war gestern die Stimmung in Westminster. „Ich kann nicht erkennen, wie wir die Puzzleteile wieder zusammensetzen sollen“, sagte ein Minister gegenüber Medien. Zu viel böses Blut, zu extreme Gegensätze. „Es handelt sich nicht länger um eine funktionierende Partei, die von jemandem geführt werden kann, geschweige denn von Theresa“, so das Kabinettsmitglied. „May wehrt die Revolte ab, doch der Tory-Krieg geht weiter“, titelte eine Zeitung und verwies auf die Rebellen, die nicht müde werden, ihre Chefin zum Rücktritt aufzufordern. Als „Aussetzung der Hinrichtung“ beschrieb ein anderes Blatt diesen denkwürdigen Mittwoch. Tatsächlich geht im Königreich die Frage um, wie es in der verfahrenden Situation nun weitergehen soll.

Am 29. März scheiden die Briten offiziell aus der EU aus. Die Uhr tickt, während sich das Land noch immer uneins über den Austritt zeigt. Sollte es nicht zu einer Neuwahl oder einem erneuten Referendum kommen, sind derzeit drei Optionen möglich. Das Unterhaus entscheidet sich für den zwischen London und Brüssel ausgehandelten Austrittsdeal, der derzeit aber weit entfernt vom Erreichen einer Mehrheit ist. May hatte die für Dienstag geplante Abstimmung verschoben, weil sie auf eine massive Niederlage zusteuerte. Gestern deutete sich an, dass das Votum erst im neuen Jahr stattfinden wird. Downing Street hatte Mitte der Woche verkündet, man wolle das Unterhaus bis zum 21. Januar abstimmen lassen. Ein genauer Termin steht noch aus.

Sollten die Abgeordneten den Vertrag jedoch ablehnen und danach schlichtweg nichts unternehmen, kracht das Land am 29. März 2019 ohne Abkommen und mit großem Chaos aus der Gemeinschaft aus. Diese Option lehnt zwar die Mehrheit des Parlaments ab, doch es könnte „aus Versehen“ zu einem No-Deal-Brexit kommen, wie der Politikwissenschaftler Tim Bale warnt. Um den zu verhindern, müsste das Königreich eine Fristverlängerung nach Artikel 50 des EU-Vertrags beantragen, der auch die übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten zuzustimmen haben. Die dritte Möglichkeit, nach der die Briten den Brexit abblasen, ist angesichts der politischen Realitäten so gut wie ausgeschlossen. „Wir strecken in einer beispiellosen Krise“, sagt der Politikwissenschaftler Tim Bale. Der Tory-Experte kann sich nicht erinnern, wann Westminster „ein verrückteres Jahr“ als das aktuelle erlebt habe. „Da muss man wahrscheinlich zurück in die Kriegszeiten gehen, um etwas Ähnliches zu finden.“

Seiner Ansicht nach liegt die Krise vor allem an der Weigerung der Bre­xit-Anhänger, die Wirklichkeit anzuerkennen: „Man kann nicht alles haben.“ Doch das erwarten die konservativen Hinterbänkler bis heute.

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