Kampf gegen Gelbwesten-Gewalt Macrons zweifelhafter Angriff auf Bürgerrechte

Paris ·   Emmanuel Macron ist zur Härte entschlossen. Der französische Präsident schickt das Militär auf die Straße, um öffentliche Gebäude von Kampftruppen schützen zu lassen. Ausschreitungen wie zuletzt bei den Demonstrationen der „Gilets Jaunes“ in Paris dürften sich nicht wiederholen, verkündet er martialisch.

 Emmanuel Macron steht bei Bürgerrechtlern unter Beobachtung.

Emmanuel Macron steht bei Bürgerrechtlern unter Beobachtung.

Foto: AP/Geert Vanden Wijngaert

Randalierer hatten auf den Champs-Élysées Gebäude angezündet und Polizeikräfte angegriffen.

Macron selbst scheint von der Entwicklung überrascht. Gerade noch schien die seit Monaten andauernde Vertrauenskrise wegen der Proteste der „Gelbwesten“ überwunden, nun befindet er sich plötzlich wieder im Abwärtsstrudel der Probleme. Nun zeigt der Präsident, dass er gewillt ist, die weitreichenden Kompetenzen auszuschöpfen, die ihm in jüngster Zeit im Rahmen des Kampfes gegen den Terrorismus zugewachsen sind. Von Menschenrechtsgruppen wird diese Entwicklung mit großer Sorge beobachtet. Sie befürchten, dass sich die Maßnahmen auch gegen kritische Bürger richten könnten.

Die Entwicklung nach den Ausschreitungen bei den „Gelbwesten“-Protesten scheint ihnen Recht zu geben. Alle, die auf den Champs-Élysées waren, hätten sich zu Komplizen der Randalierer gemacht, ließ Emmanuel Macron verkünden. Man habe seit November viel getan, aber das reiche offensichtlich nicht aus. Mit diesem Satz bezieht sich der Präsident auf ein neues Gesetz, das er auch gegen den Widerstand in den eigenen Reihen in den letzten Wochen durch alle Instanzen gepeitscht hat: das „loi anti-casseurs“, das Anti-Randalierer-Gesetz.

Es ist eine direkte Reaktion auf die Randale während der ersten Demonstrationen der „Gilets Jaunes“ Ende des vergangenen Jahres. Inzwischen kursieren auch Überlegungen, wie man die oft vermummten Teilnehmer von Protesten leichter identifizieren und bestrafen kann. Neuste Idee ist die „marquage codé“. Das heißt, dass die Demonstranten mit einer Substanz besprüht werden, die für das bloße Auge zwar unsichtbar ist, sich aber auch nach Wochen noch auf der Kleidung und der Haut nachweisen lässt – egal, wie oft man sich wäscht.

Seit mehreren Jahren ist in Frankreich die die zunehmende Einschränkung der Bürgerrechte zu beobachten. Begonnen hat es damit, dass nach den Anschlägen im Musikklub „Bataclan“, auf Pariser Bars und am Fußballstadion Stade de France am 13. November 2015 der Ausnahmezustand verhängt worden ist. Der Präsident hatte danach ein schnelles Ende versprochen, dann aber ein neues Anti-Terror-Gesetz auf den Weg gebracht, in dem zentrale Sonderrechte des Ausnahmezustandes im Kern erhalten blieben. Dieser Schritt wurde nicht nur in Frankreich, sondern auch vom UN-Menschenrechtsrat heftig kritisiert. Es wurde die Sorge geäußert, dass nun eine Art „permanenter Ausnahmezustand“ geschaffen werde. Anders als ursprünglich von der Regierung vorgeschlagen, hat das Parlament aber eingefügt, dass die erweiterten Kompetenzen der Behörden in großen Teilen nur bis Ende 2020 anwendbar sind.

Inzwischen gehört es zum Stadtbild dazu, dass schwer bewaffnete Soldaten an Flughäfen, Bahnhöfen und anderen öffentlichen Orten patrouillieren. Denn auch die dahinterstehende „Opération Sentinelle“ wird trotz beendetem Ausnahmezustand weitergeführt. Über 10 000 Soldaten und Polizisten sind im Rahmen der Operation dazu abgestellt, an anschlagsgefährdeten Orten des Landes Präsenz zu zeigen.

Viele Beobachter in Frankreich fragen sich derzeit, wie weit Macron gehen wird, um die aktuelle Situation in den Griff zu bekommen. Denn eines haben die Chaoten sehr deutlich gemacht: Reden lassen sie mit sich nicht.

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